lundi 31 janvier 2011

SEELENVERKÄUFER

 Wie die Kritik der Warengesellschaft selber zur Ware wird

„Fürst Beelzebub nahm persönlich großes Interesse an dieser Art von Handel und ließ sich manchmal gar dazu herab, sich selber mit solchen Kleinigkeiten abzugeben. Einmal hatte ich das Vergnügen, ihn dabei zu beobachten, wie er mit irgendeinem Jammerlappen um dessen Seele feilschte, die Seine Hoheit, nach langem Handeln von beiden Seiten, endlich für etwa den Gegenwert von Sixpence erwerben konnte, wobei der Fürst mit einem Lächeln bemerkte, dass er bei diesem Handel den kürzeren gezogen habe“
Nathaniel Hawthorne, Die himmlische Eisenbahn
 
Dabei haben wir es gleichzeitig mit einem allgemeinen gesellschaftlichen Problem zu tun, das nicht nur in der Linken insgesamt eine Rolle spielt, sondern sich auch im ursprünglichen Kontext der Wertkritik auf spezifische Weise reproduziert hat. Das Thema ist hier die Warenform der Kritik an der Warenform selbst – und welche Konsequenzen aus dieser realen Paradoxie zu ziehen sind. Wenn daher die Wiener Zeitschrift „Streifzüge“ zum Gegenstand der Polemik wird, soll dieses Erzeugnis nur als exemplarisch gelten für die innere Bewegung des Widerspruchs von Form und Inhalt kategorialer Kritik. Diese Dialektik steht auch in einem soziologischen, sozialpsychologischen, epistemischen und methodologischen Kontext. Dabei werden einzelne schon in früheren Artikeln oft nur nebenbei erwähnte Momente (der Konflikt ist ja nicht völlig neu) zur Warenförmigkeit radikal wert-abspaltungskritischer Publizistik, zur Form des öffentlichen Agierens und zur Typologie ihrer Charaktere in einen größeren systematischen Zusammenhang gebracht.

Postmoderne Selbstunternehmer und linker Kritikbetrieb

Mit den linken Medien verhält es sich wie mit den linken Individuen. Irgendwann erscheint ihnen ihre einstmals radikal kritische Intention als eine Art Jugendsünde. Der Grund ist immer derselbe: Was sich selbst als Aufstand gegen den Kapitalismus missverstanden hatte, war oft genug nur eine Mischung aus schlechtem Idealismus und pubertärer Militanz. Also die geborene perspektivlose Jugendsünde, von der man insgeheim schon wusste, dass man sie sich später einmal bescheinigen würde. Als dann der erwachsene Kinderglaube erwachte, man habe möglicherweise selbständig zu denken begonnen, war es schon eine Selbstzurichtung durch bürgerliche Vernunft statt eine reflexive Selbstbegründung radikaler Kritik. Irgendwann muss man ja mal eine Familie gründen, in eine Loftwohnung ziehen, an die Rente denken und die linksextremistische Vergangenheit z.B. einen putzigen kleinen Künstler-Pferdeschwanz sein lassen, den man sich als vogelwildes Accessoire eines gewohnheitsmäßig inszenierten Nonkonformismus noch gönnt. Auf diesem Weg gibt es viele Windungen und Wendungen, aber er ist überschaubar und die traditionelle Richtung bekannt: nämlich heim ins Reich der Kuscheltiere, der Lehraufträge, Anwaltskanzleien, runden Geburtstagsfeiern, Vernissagen und respektablen Beerdigungen. Was den individuellen Lebensgeschichten der Linken recht ist, darf den Metamorphosen ihrer Publikationsorgane billig sein. Auch sie werden in der Regel immer ehrbarer, wenn sie nicht rechtzeitig eingehen. Und „ehrbar“ bedeutet in postmodernen Zeiten auch: auf milde Weise meinungstolerant, realitätsbeflissen auf- und abgeklärt.
Dieser Gang der linken Mittelschichtsexistenz in die fade bürgerliche Normalität hat allerdings heute etwas Nostalgisches. War die Metamorphose bis zur fälligen Entpuppung bei den älteren Generationen gebunden an fast bis aufs Datum genau bestimmbare Lebensabschnitte, so glückt dieser reibungslose und rechtzeitige Übergang inzwischen nur noch in relativ wenigen Segmenten der akademischen Berufe. Was sich stattdessen ausbreitet, ist bekanntlich die Prekarisierung. Für die „Generation Praktikum“ fällt der Hang und Drang zum Settlement nicht mehr mit der glorreichen Diplomierung, sondern fast schon mit der Midlifecrisis zusammen. Er nimmt also die Form der Torschlusspanik an, während der Zustand von Kind und Kegel oft schon lange zuvor unter finanziell unmöglichen Bedingungen eingetreten ist. Umso heftiger machen sich dann in diesem späten Stadium die Imaginationen einer fetten Reputation und Erfolgsgeschichte geltend; und sei es als pure Illusion, die für bestimmte Abkömmlinge gesponsert wird von ebenso betagten wie besorgten Vätern und Müttern. Wenn der Zug der traditionellen akademischen Laufbahn bereits verpasst wurde, kennt die oft gerade deswegen erst recht gierig gewordene Phantasie keine Grenzen mehr.
Natürlich ist es kein Zufall, dass diese Befindlichkeit überwiegend als männliche in Erscheinung tritt. Es sind jetzt nicht mehr bloß die üblichen großmäuligen Sturm- und Drang-Jünglinge, die sich genialisch als potentielle, bloß noch nicht erkannte Großliteraten und Menschheitsbeglücker verstehen möchten, sondern immer öfter selber schon leicht ergrauende Väter von patchwork-families, die ihre Perspektivlosigkeit nicht kritisch verarbeiten, sondern unmittelbar emanzipatorisch umdeuten und zum besseren Lebensprinzip erheben möchten.1 Allerdings gelingt ihnen sozial nicht mehr so recht, was Enzensberger noch von der Literatur als Institution sagen konnte: nämlich dass diese es verstanden habe, „die eigene Krisis sich zur Existenzgrundlage zu machen“ (Hans Magnus Enzensberger, Gemeinplätze, die Neueste Literatur betreffend, in: Über Literatur, Frankfurt/Main 2009, 121).
Unter solchen bloß selbstaffirmativ wahrgenommenen Krisenbedingungen halten sich linke Medien, die eigentlich schon längst nichts mehr zu sagen haben, manchmal über ihre gewöhnliche Verfallszeit hinaus. Wenn der Gang des kapitalistischen Fleisches zwar stattgefunden hat, aber nicht zugegeben wird, sehen auch sie aus wie eine alt gewordene Jugendsünde; und dieser Ausdruck einer Pseudo-Boheme mit Augenringen ist fast noch schlimmer als der einer gelungenen Studienratsdarstellung mit Pfeife im Maul. Manchen linksjournalistischen und linkspolitischen Selbstverwertern in spe ist der Inhalt im Grunde bereits gleich-gültig geworden. Sie sind nur noch dabei, weil sie außer ihrer geistigen Würstchenbude nichts haben, womit sie ein wenig „kulturelles Kapital“ (Bourdieu) abstauben können; wenn es schon nicht zu Honoraren reicht.2 Als Bestandteil eines selbstreferentiellen Publikums, das sein eigener Produzent ist, müssen sie umso rattenfängerischer auf dem entsprechenden Meinungsmarkt agieren.
Natürlich gibt es sehr verschiedene Varianten einer subkulturell sich inszenierenden linken yellow press. Gemeinsames Merkmal ist meistens der Bezug auf postmodernistisch aufgemotzte, aber substantiell entleerte und verwelkte Paradigmen eines unwahr gewordenen Denkens aus vergangenen historischen Konstellationen. Gleichzeitig handelt es sich jedoch ebensosehr um die Äußerungen eines höchst aktuellen Sozialcharakters, der Inhalte überhaupt nur instrumentell versteht und dem Selbstreflexion umso fremder bleibt, je mehr er diesen Begriff spazieren führt. Deshalb ist auch eine radikale Kritik auf der Höhe der Entwicklung nicht davor gefeit, von Seelenverkäufern eines erpichten Selbst- und Lebensunternehmertums vereinnahmt zu werden.3 Gerade diese Art der Usurpation war bei der Spaltung der alten Wertkritik im Hintergrund wirksam. Es geht dabei keineswegs nur um kognitive theoretische Inhalte, die in opportunistische und geradezu reaktionäre Ideologiebildung abgeglitten und umgekippt sind, sondern auch um die Form der Darstellung als Inhalt sui generis. Die bis jetzt in gewisser Weise, wenn auch nur noch vage und unentschlossen, unter dem Label der „Wertkritik“ firmierende Wiener Zeitschrift „Streifzüge“ bietet vielfältiges Anschauungsmaterial, um dieses allgemeinere Phänomen im linken Medienwald einer kritischen Analyse zu unterziehen.4

Wertkritik als Warenangebot

In der wert-abspaltungskritischen Publizistik als solcher erscheint das Problem im unausweichlichen Widerspruch von inhaltlicher kategorialer Kritik einerseits und (strukturell „männlicher“) Warenform bzw. Marktvermittlung auch der theoretischen Öffentlichkeit andererseits. Der notwendigerweise immanente Ausgangspunkt zwingt ganz praktisch dazu, den kritischen Inhalt in der äußeren gesellschaftlichen Form des kritisierten Verhältnisses selbst erscheinen zu lassen, also vermittels eines Verlagswesens mit entsprechender Buch- und Zeitschriftenproduktion. Es gibt keine andere Möglichkeit als die bürgerliche Zirkulationssphäre, um die Ideen kategorialer Kritik in Umlauf zu bringen. Der darin angelegte Widerspruch kann nicht durch irgendwelche Tricks oder bloße Umdeutungen übersprungen werden, solange nicht eine gesamtgesellschaftliche Transformationsbewegung das Kapitalverhältnis als Ganzes aufzusprengen beginnt. Deshalb ist es ein schäbiger Moralismus, wenn den VertreterInnen kategorialer Kritik hämisch der Status ihrer Publizistik als „Bezahlgüter“ vorgeworfen und gegen den Inhalt ausgespielt wird, als könnte ausgerechnet diese theoretische Produktion (oder überhaupt die Publikation von Büchern und Zeitschriften) partikularistisch den herrschenden Formzusammenhang allein qua inhaltlichem Anspruch transzendieren und unmittelbar „nach drüben“ in ein Jenseits der Wertvergesellschaftung hier und heute gehen.
Die theoretische und analytische Publizistik radikaler Kritik muss den Widerspruch zu ihrer unter den kapitalistischen Verhältnissen unvermeidlichen Warenform nicht bloß aushalten, sondern vor allem den Inhalt dagegen immunisieren, von dieser Form bis zur Unkenntlichkeit entstellt und aufgesaugt zu werden. Theoretische und kulturelle Inhalte überhaupt, wenn sie als solche ernst genommen werden, behalten eine gewisse Sperrigkeit gegenüber ihrem formalen Status als Gegenstände bürgerlicher Zirkulation. Vor einem halben Jahrhundert hat der junge Habermas, damals Adorno-Schüler und noch nicht vollends zum demokratischen Staatsphilosophen mutiert, in diesem Zusammenhang auf den ursprünglichen Charakter der entstehenden bürgerlichen Öffentlichkeit aufmerksam gemacht, als diese sich noch inhaltlich gegen die vorausgegangene Publizität personaler gesellschaftlicher Repräsentationsverhältnisse durchsetzen musste: „Zwar war die Kommerzialisierung der Kulturgüter einst Voraussetzung für das Räsonnement; es selbst blieb aber grundsätzlich von den Tauschbeziehungen ausgenommen“ (Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Frankfurt/Main 1990, zuerst 1962, S. 252, Hervorheb. Habermas).
In dieser Konstitutionsphase hatte sich daher die bürgerliche Öffentlichkeit bei weitem nicht zu ihrer späteren vollen Kenntlichkeit entwickelt: „Noch gewinnen die Tauschwerte keinen Einfluss auf die Qualität der Güter selbst: bis heute haftet ja dem Geschäft mit Kulturgütern etwas von der Inkompatibilität dieser Art Erzeugnisse mit ihrer Warenform an“ (Habermas, a.a.O., S. 253 f.). Wie in anderer Weise Adorno, sieht dabei auch Habermas das ursprüngliche Verhältnis von Inhalt und Form der aufklärerischen Ideenzirkulation mehr oder weniger als positives Ideal, das seiner „Verwirklichung“ noch harre, weil es im Widerspruch zur dialektischen Fortentwicklung der bürgerlichen Öffentlichkeit stehe. Wenn es sich bei dieser Entwicklung jedoch um eine immanente Notwendigkeit handelt, dann gibt es gar kein positiv „Aufzuhebendes“. Es lag vielmehr schon in der eigenen Logik des ursprünglichen „Räsonnements“, dass die Wertabstraktion und das Abspaltungsverhältnis letztendlich den geistigen Inhalt verschlingen, weil und sofern er ihnen entspricht, also nur in den Anfängen explizit und problematisch werden musste.
Man könnte diesen Prozess auch in der Terminologie der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie ausdrücken: nämlich als Übergang von der „formellen“ zur „reellen Subsumtion“ unter das Kapital nicht nur bei den industriellen, sondern auch bei den kulturellen und theoretischen „Gütern“. Wie die zunächst bloß formelle Subsumtion nicht als idealisierter positiver Aufhebungsgegenstand gegenüber den Übeln der reellen Subsumtion verstanden werden kann, ebensowenig die noch nicht von der androzentrischen Wertabstraktion aufgefressene bürgerliche Aufklärungsöffentlichkeit gegenüber ihrem traurigen Endzustand. Es war ja gerade der wesentliche Inhalt des Aufklärungsdenkens selber, der nichts anderes als die Zielsetzung eben dieses Auffressens philosophisch ausgedrückt hat. Das anfängliche Nicht-Aufgehen jenes Inhalts kapitalistischer Vernunft in ihrer eigenen gesellschaftlichen Form war also selber bloß formal bestimmt und ein verschwindendes Moment ihrer historischen Durchsetzung.
Für die publizistische Öffentlichkeit kategorialer Kritik bedeutet dies, dass sie eine bewusst aufgenommene formelle Subsumtion ihrer Produkte (nämlich deren äußere Warenförmigkeit) nicht als Ansatz einer positiven „Aufhebung“ im Sinne jener „Verwirklichung“ idealisierter Inhalte der Aufklärungsideologie missverstehen darf, sondern im Gegenteil als notwendiges Übel eines Ausgangspunkts negativer Immanenz begreifen muss. Dieser unausweichlichen Immanenz gegenüber wird aber gerade ein ganz anderer Inhalt behauptet, der auf den Bruch mit der Form überhaupt zielt und sich diese Bestimmung nicht vom „stummen Zwang“ eben dieser Form austreiben lässt.
In genau dieser Hinsicht ist bei der Spaltung der alten Wertkritik eine doppelte, gegenläufige Dialektik zu beobachten. Die wert-abspaltungskritische Theorie, wie sie gegenwärtig publizistisch von den EXIT-AutorInnen vertreten wird, lehnt einerseits jede falsche Unmittelbarkeit ab, die so tut, als könnte gerade theoretisch-publizistischen Produkten unabhängig von der sonstigen gesellschaftlichen Reproduktion ihre Warenform direkt und rein äußerlich abgestreift werden; also weit unterhalb des Niveaus einer gesamtgesellschaftlichen Transformationsbewegung. Das hieße nichts anderes, als die theoretische Produktion zum Freizeitvergnügen eines im schlechten Sinne amateurhaften Räsonnements zu degradieren, weil „Kostenlosigkeit“ unter ansonsten kapitalistischen Bedingungen keinen Zeit- und Ressourcenfonds ermöglicht, wie ihn ernsthafte Theoriebildung und deren Zirkulation verlangt.5 Andererseits jedoch impliziert dieselbe Kritik falscher Unmittelbarkeit, dass sich der radikal form- und abspaltungskritische Inhalt jeder reellen Subsumtion grundsätzlich verweigert. Das heißt, dass dieser Inhalt auf keinen Fall „Gesichtspunkten der Absatzstrategie“ (Habermas, a.a.O, 254) untergeordnet werden kann, als würde man tatsächlich eine Markenfirma betreiben. Er muss sich jeder entsprechenden „Präsentation“ als bloß abzusetzende Ware sperren.
Genau umgekehrt verhält es sich bei der „magazinierten Transformationslust“, wie die „Streifzüge“ im Untertitel ihren Impetus selber clownesk bezeichnen. Einerseits wird hier eben jene falsche Unmittelbarkeit gepriesen, wie sie EXIT grundsätzlich kritisiert. Die „Transformation“ soll in den vier Wänden bornierter Szene-Verhältnissen sozusagen auf Wohnküchenniveau (und natürlich im Internet) stattfinden. Theorie wird nicht an der Erklärungskraft ihres Inhalts gemessen, sondern, so der „Streifzüge“-Prediger Lorenz Glatz, an der persönlichen Kompatibilität ihrer TrägerInnen mit den Zuckungen des „gesellschaftliche(n) Alltagsverstand(s)“ (What we do matters, Streifzüge 47/2009) und am demütigen Willen, diese „teilnehmend zu beeinflussen“ (a.a.O.) statt auf ideologiekritische Distanz zu gehen. Unter Berufung auf die Alternativideologin Friederike Habermann stellt Glatz diese Unmittelbarkeitsperspektive ausdrücklich in Gegensatz zur Orientierung auf eine gesamtgesellschaftliche, mit „theoretischer Innovation“ gerüstete „soziale Widerstandsbewegung“ (und damit auf eine ganz andere „teilnehmende Beeinflussung“), wie sie bloß als Ausdruck der „Verzweiflung“ im „Kurz'schen >Schwarzbuch Kapitalismus<“ (a.a.O.) zu werten sei.
In diesem Sinne möchten die „Streifzüge“ damit locken, auch in der Form des publizistischen Organs selbst bereits das „Andere“ zu verkörpern. „Ein Stück weit“ (so die notorisch erzdumme Formulierung einer kleinkarierten Alternative zum einzig richtigen „Ganz oder gar nicht“) sehen sie sich schon unmittelbar jenseits der Warenform; nicht nur durch die Verbreitung geruchsintensiver ideologischer Stallwärme, die ihrem Wesen nach bloße Theaterbühnen-Technik bleibt, sondern auch direkt ökonomisch als „Kostenlosigkeit“ einer kompletten elektronischen Ausgabe, die parallel zum „Bezahlgut“ der Print-Ausgabe sukzessive ins Netz gestellt wird. Diese verlogene Doppelstrategie möchte den Bonus eines vorgeblich gelungenen „Jenseits“ einheimsen, aber gerade dadurch eine Art moralischen Druck erzeugen, dem sehr warenförmigen „Diesseits“ einen Tribut zu zollen. Im Grunde handelt es sich bei der kostenlosen Netz-Ausgabe um eine Art Werbegeschenk, das die Gimpel von Usern dann als Dank für die offerierte „Jenseitigkeit“ letztlich trotzdem bezahlen sollen.6
In Wirklichkeit geht andererseits gerade dieses pseudo-transformatorische Unmittelbarkeits-Postulat mit Elementen einer nicht mehr bloß formellen, sondern auch reellen Subsumtion des „kritischen“ Inhalts unter die Warenform einher. Sowohl die „Vermittlung und Auswahl, Aufmachung und Ausstattung der Werke“ als auch „ihre Erzeugung als solche“ (Habermas, a.a.O., 254) folgt dem Gebot der Konsumentenkultur: „(Schon) sind die Gesetze des Marktes in die Substanz der Werke eingedrungen, sind ihnen als Gestaltungsgesetze immanent geworden“ (ebda).
Unfreiwillig und offensichtlich bewusstlos nimmt die publizistische Produktion eine Fassade an, für die in besseren Zeiten der früheren neuen Linken der Ausdruck „Warenästhetik“ gefunden wurde (vgl. Wolfgang Fritz Haug, Kritik der Warenästhetik, Frankfurt/Main 1972).7 Noch die allerdings nicht mehr begrifflich durchdrungene, sondern eher moralisierende „Kritik der Warenform“ wird in einem sehr weiten Sinne warenförmig aufbereitet als „ästhetische Abstraktion“ und „Technokratie der Sinnlichkeit“ (Haug, a.a.O., 9). Sie nimmt das Gestaltungsprinzip einer „Meinungsgegenständlichkeit“ an8, das sich unter Rekurs auf eine Soziologie der „Präsentation“ schon in den 1960er Jahren genausogut „auf eine politische Partei, eine Filmdiva oder ein Stück Seife“ (Haug, a.a.O., 37) beziehen konnte und als Image ein „psychologischer Tatbestand“ (a.a.O., 35) wird. Dieses „Erscheinungsbild“ (a.a.O., 37) ist es, in dem die Wertform den Inhalt und damit erst recht die noch einmal besonders quer liegende Abspaltungskritik zu verschlingen beginnt.

Der „wertkritische“ billige Jakob

Die „Streifzüge“ dagegen folgen explizit der Technik „des Ankommens und des Sich-angenehm-Machens“ schon in den jeweiligen proklamatorischen Ankündigungen: „(Wir) haben uns wie immer bemüht, eine ansprechende Nummer zu gestalten. In jeder Hinsicht wollen wir uns verbreitern und verbreiten“ (Franz Schandl, EINlauf Wohnen, Editorial Streifzüge 47/2009). Eher sollte uns die Hand verdorren, als dass wir die Produktion kritischer Theorie und Analyse mit dem Versprechen einer „ansprechenden Gestaltung“ einem allein schon dadurch für dumm verkauften Publikum schmackhaft zu machen versuchen. Wie sollte das auch gehen, etwa die Analyse und Kritik eines selbstaffirmativen Mittelschichtsinteresses oder überhaupt von ideologischen Formationen derart zu ästhetisieren, dass das Produkt als Ware „goldig“ gemacht wird, statt eine negatorische Konfrontation auszudrücken?
„Ansprechend“ sein zu wollen, heißt „Gefälligkeit“ der „Präsentation“ zu offerieren, was darauf zielt, dem Inhalt zwecks Kundenfang jede Sperrigkeit zu nehmen und ihn eben direkt mit dem unreflektierten Alltagsverstand kompatibel zu machen. Wie bei Marktunternehmen und politischen Parteien wird die „Verkaufe“ und „Akzeptanz“-Erschleichung zum eigentlichen (Selbst)zweck, und der Inhalt gegenüber seiner Aufmachung zum unwesentlichen Sekundären und Akzidens degradiert. Schon traditionell haben Marktwerbung und politizistische Agitprop das Ziel, sich „in jeder Hinsicht zu verbreitern und zu verbreiten“, ihrem ursprünglichen Gegenstand gegenüber verselbständigt. Der Übergang vom (falschen) „Gebrauchswertversprechen“ zum „vom Warenleib“ abgelösten „Markennamen“ (Haug, a.a.O., 26 ff.) und von der politischen Programmatik kapitalistischer Durchsetzungsgeschichte zur demoskopischen „Markentechnik“ (a.a.O., 39) des Parteienunwesens hat sich in der Nachkriegsgeschichte vollendet und längst auch die theoretische Produktion ergriffen.
Dieser „tendenzielle Zerfall einer literarischen Öffentlichkeit“ (Habermas, a.a.O., 257) ist es, der sich als das Schandlsche Verlangen, „in jeder Hinsicht“ unabhängig vom Konfliktpotential kritischer Reflexion „breit“ zu werden, bewusstlos reproduziert. Der Ausdruck hat allerdings auch etwas unfreiwillig Komisches und erinnert eher an eine bekiffte Comicfigur, die sich per Sprechblase bescheinigt, heute wieder ziemlich „breit“ zu sein. Die explizite Ankündigung, sich „ansprechend“ präsentieren zu wollen, folgt zwar dem warenästhetischen Impuls einer Absatzstrategie für die „Meinungsgegenständlichkeit“; aber sie hat nicht die ausgefeilte, wenn auch längst ausgeleierte Raffinesse der Werbeindustrie. Eine Agentur, die das neueste Modell von BMW warenschön zu offerieren oder eine Wahlkampagne für politische Personage auszutüfteln hat, würde sich nicht hinstellen und sagen: Hallo, wir haben uns um „ansprechende Gestaltung“ bemüht, weil wir uns „verbreitern“ wollen. Sie würde dem potentiellen Konsumenten gerade diese Absicht, die natürlich sowieso vorausgesetzt und bekannt ist, nicht noch einmal extra unter die Nase reiben, sondern sie ihm indirekt und hintenherum als seine eigene Einsicht und Absicht unterzujubeln versuchen.
Aber soviel Aufwand für die „Technik des Ankommens“ können sich die „Streifzüge“ nicht leisten. Ihre Selbstpräsentation erinnert eher an die Ausrufungen eines Bauchladen-Betreibers oder an die Werbezettel eines Tante-Emma-Ladens, etwa nach dem Motto: „Bei Kleinlein kauft man gut und billig“.9 Schon vor fünf Jahren, als die Tendenz zum „Sich-angenehm-Machen“ kenntlich geworden war, hatte Roswitha Scholz formuliert, was es bedeutet, wenn „an das unmittelbare...Bewusstsein...Anschluss gesucht wird“ (Roswitha Scholz, Der Mai ist gekommen, in: Exit 2/2005, 107). Es könne dann nämlich „eine reduktionistische >Wertkritik< gleich wie Seife oder Staubsauger vom postmodernen billigen Jakob verscherbelt werden“ (a.a.O.).
Tatsächlich trifft das Bild vom „wertkritischen“ billigen Jakob den Sachverhalt am besten. Die Korruption und Prostitution des kritischen Inhalts hat etwas vom sozialpsychologischen Erscheinungsbild eines depravierten Warensubjekts, das auf der Straße Kaffee oder seinen Arsch verkaufen muss. So wenig jedoch der wirkliche billige Jakob und überhaupt Zwangslagen dieser Art, in denen Menschen auf entwürdigende Art ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, zu deren Denunziation Anlass geben dürfen, so inakzeptabel ist es, dass kritische Theorie „auch der Intention der Akteure nach marktschreierisch zur Ware erhoben werden soll, wenn die eigene Existenz prekär wird und man sich eigene Marktvorteile verspricht“ (Scholz, a.a.O., 107). Das gilt ganz besonders, wenn eine derart usurpierte „Wertkritik“ auch noch mit dem falschen Anspruch unmittelbarer Transzendenz daherkommt, während sie gleichzeitig diesen Inhalt warenästhetisch auf niedrigstem Niveau zurichtet. Das beginnt schon bei der rein formalen „Vielfalt“ der Beiträge bzw. deren Erscheinungsweise.

Mehrfachverwertung

Dass darunter die Qualität leidet, steht außer Frage. Es geht nicht mehr darum, dass ein sachlicher oder künstlerischer Inhalt ausgearbeitet und dann nach seinen eigenen Kriterien publiziert wird, sondern umgekehrt: Die Inhaltsproduktion richtet sich nach den ihr fremden Kriterien des Publikationsbetriebs in seiner marktförmigen Eigendynamik und deren Gesetzlichkeiten. Auch kritische Theoriebildung und Analyse ist diesem Prozess bis zu einem gewissen Grad unterworfen, soweit sie nach Möglichkeit in den größeren Umfang der bürgerlichen Zirkulation eingespeist werden soll. Sie muss dann den zyklischen Zwängen der Frühjahrs- und Herbstsaison, der Literaturmessen, der reisenden Vertreter, des Buchhandels etc. folgen, die historisch überhitzt sind, gerade weil der Betrieb inhaltlich leer läuft und durch sein Eigengewicht die Innovation zu ersticken droht. Wenn man aber solchen Zwängen im größeren publizistischen Raum schon nicht gänzlich ausweichen kann, wäre es angebracht, wenigstens die eigenen Publikationsorgane diesen Momenten reeller Subsumtion unter die Warenform zu entziehen.
Die alte Wertkritik hatte die Eigenständigkeit der Theorie gegenüber dem „manisch-depressiven Zyklus“ der Bewegungsszene mit ihren Kampagnen-Konjunkturen betont. Diesem Postulat ist die wert-abspaltungskritische eigene Inhaltsproduktion von EXIT treu geblieben. Während die Publikation von Büchern in Fremdverlagen und journalistische Kommentare oder Analysen für die Tages- und Wochenpresse notgedrungen in deren Zeithorizont und Darstellungsweise eingebunden sind, gilt dies nicht für die Theorieproduktion der Wert-Abspaltungskritik selbst. Ein eigenes Publikationsorgan ist gerade deshalb unverzichtbar, weil es allein an Kriterien der inhaltlichen Erarbeitung ausgerichtet sein kann und sich weder den sprunghaften Bewegungskonjunkturen noch den zeitgeistigen und kulturindustriellen Marktkonjunkturen andienen muss. Unter den bisherigen Bedingungen von Theoriebildung und Rezeption kann die notwendige Form des entsprechenden Printmediums EXIT nur als relativ umfangreicher Sammelband in einem ungefähr jährlichen Rhythmus erscheinen. Das heißt nicht, dass eine höhere Frequenz grundsätzlich ausgeschlossen ist. Aber eine Umstellung von Erscheinungsweise und womöglich Format müsste aus der Entwicklung der inhaltlichen Produktion selbst heranreifen und würde eine größere Personaldecke von AutorInnen und redaktionellen Kräften auf dem Boden der Wert-Abspaltungskritik erfordern. Auch bei unterschiedlichen Textformaten ist eine keineswegs geringere Qualität anzustreben, die entsprechender Zeitressourcen bedarf.
Genau umgekehrt verhält es sich bei den „Streifzügen“. Der Anspruch, dreimal jährlich im Magazinformat zu erscheinen, ging in gar keiner Weise aus einer inneren Entwicklung des Inhalts und dessen Rezeption hervor, sondern allein aus dem verselbständigten Verkäufer-Gebot, sich „in jeder Hinsicht zu verbreitern und zu verbreiten“. Ablesbar ist dieser Sachverhalt daran, dass nicht eine Inhaltsproduktion ihren eigenen Kriterien gemäß eine Form findet, sondern umgekehrt eine apriorische „leere Form“ (hier quasi natural: ein journalistisches Format) „gefüllt“ werden muss. Gerade darin besteht das allgemeinste Merkmal der reellen Subsumtion bei solchen Erzeugnissen.10 Um sich regelmäßig präsentieren zu können, müssen die „Streifzüge“ nicht nur eine Rückwendung zu den Bewegungs- und Zeitgeist-Konjunkturen vollziehen, um entsprechende „Themen“ weitgehend ohne inhaltliche Konfrontation aufzugreifen. Es geht auch noch um etwas anderes.
Notorisch im akademischen Publikationsbetrieb ist das Phänomen der „Mehrfachverwertung“. Das Postulat „publish or perish“ führt dazu, dass ein und derselbe Artikel mit geringfügigen Variationen und verändertem Titel an verschiedenen Orten veröffentlicht wird, um eine gewisse Omnipräsenz und wissenschaftliche Fließbandproduktion vorzutäuschen. Beliebt sind auch „Textbausteine“, die in demselben Sinne ständig umgruppiert und mit unwesentlichen Zusätzen versehen werden. Zwar kann es durchaus sinnvoll sein, bestimmte neue oder besonders brisante Beiträge, die nach einer Erstpublikation von allen möglichen Medien angefragt werden, notgedrungen in diversen Kurz- oder Langfassungen des ursprünglichen Textes erscheinen zulassen. Das ist aber nur als publizistische Ausnahme inhaltsgemäß. Ganz anders verhält es sich dagegen, wenn diese Vorgehensweise zu einer systematischen wird, die auch sekundäre und überhaupt beliebige Inhalte oder Textformate erfasst, wie es längst eingerissen ist. Dass sich daraus eine ermüdende Redundanz in diversen Fachzeitschriften ergibt, wird als Geschäftsbedingung hingenommen und hat sich zur Gewohnheit entwickelt. Trotzdem müssen die Periodika bemüht sein, wenigstens formal auf Originalbeiträgen zu bestehen, die nicht identisch schon anderswo erschienen sind. Das gilt erst recht für Publikumszeitschriften auf dem „freien“ Meinungsmarkt, die es sich gar nicht leisten können, von einer leicht erkennbaren „Mehrfachverwertung“ zu leben, die nur Konsumenten vergraulen würde.
Die „Streifzüge“ gerieren sich nun einerseits als „magaziniertes“ Periodikum auf diesem Markt; andererseits sind sie kaum in der Lage, ihren Kübel mit wirklichen Originalbeiträgen zu „befüllen“. Kaschieren will man dieses Dilemma durch den „jenseitigen“ Bezug auf die Gratis-Mentalität der User. Die Print-Beiträge erscheinen aber nicht nur gleichzeitig oder zeitversetzt auf ihrer Homepage, sondern sie sind zu erheblichen Teilen auch schon an anderer Stelle publiziert worden; teilweise in der linken Tages- oder Wochenpresse, hauptsächlich aber in diversen Blogs, Mailing-Listen etc. – oft Wochen oder sogar Monate zuvor in längeren Fassungen. Die „Streifzüge“ sind so nichts anderes als der „Readers Digest“ eines bestimmten Spektrums von „Meinungsgegenständlichkeit“. Besäßen sie die inhaltliche Ehrlichkeit, von rechtfertigbaren Ausnahmen abgesehen nur Originalbeiträge zu bringen, könnten sie sich glatt eine oder sogar zwei von drei Ausgaben pro Jahr sparen. Man stelle sich vor, EXIT würde im Interesse einer höheren Frequenz des marktförmigen Erscheinens die meisten Artikel, Kommentare, Interviews etc. der AutorInnen, die schon auf der Homepage und/oder in anderen Printmedien publiziert wurden, zwecks „Befüllung“ der Seiten noch einmal abdrucken.11 Genau diese Publikums- und Abonnenten-Verarschung betreiben die „Streifzüge“ systematisch. So sind sie erst recht genötigt, mit der Technik des „Ankommens“ eine warenästhetische Identifikation zu erzeugen, um die Hohlheit der Publikationsform vergessen zu machen.

Die Abonnenten-Uhr

Im akademischen Bereich funktioniert dieser Modus teilweise, weil die warenförmige Existenz indirekt gewährleistet ist. Die AutorInnen leben nicht von Honoraren für ihre Texte, sondern vom staatlich finanzierten Gehalt qua akademischer Position (auch wenn diese selber vor allem im Mittelbau ebenfalls prekarisiert zu werden droht); sie stellen ihre Texte gratis zur Verfügung, weil sie sich davon „kulturelles Kapital“ für das Erklimmen der wissenschaftlichen Karriere-Leiter erhoffen. Umgekehrt erhalten die Wissenschaftsverlage von den Hochschulen Lizenzgebühren, wenn sie ihre (oft gar nicht mehr gedruckten) Publikationen dort für den (universitär begrenzten) kostenlosen elektronischen Zugriff zur Verfügung stellen. Die warenförmige Reproduktion dieser Publizität lebt also letztlich von staatlicher Subventionierung, die allerdings im Zuge einer verschärften Krise der Staatsfinanzen eingeschnürt werden könnte. Gegenüber dem „freien“ Buch- und Zeitschriftenmarkt handelt es sich nur um einen relativ geschützten publizistischen Raum, dessen Akteure natürlich gar nicht den Anspruch einer Transzendierung der Warenform erheben.
Die oben skizzierte Lebenslüge der „Streifzüge“, ihr Publikationsorgan als unmittelbares „Jenseits“ der Warenform zu offerieren, indem sie es gratis ins Netz stellen, bricht sich offensichtlich an ihrer unausweichlichen Existenz auf dem „freien“ Publikationsmarkt. Dieser Widerspruch erscheint nicht nur grundsätzlich als die Doppelstrategie, sich auf diese Weise für die Mentalität der User „angenehm“ zu machen, um sie gleichzeitig trotzdem abzukassieren. Die Paradoxie des doppelbödigen Marktverhaltens steigert sich vielmehr noch, wenn der in diesem Sinne klammheimlich ausgeübte moralische Druck sich geradezu als kraftmeierisches Marketing äußert: „Streifzüge fordern 300 Abos“ (so mehrfach mit wechselnden Zahlen auf dem „Streifzüge“-Cover in den letzten Jahren). Von wem wird hier „gefordert“ und mit welcher Begründung? In einer seiner platten Wortspielereien zum „Verkaufen“ hatte der „Streifzüge“-Herausgeber geschrieben: „Loswerden hat auch mit Wegkriegen zu tun. Gibt es am Markt viele Wegkrieger (durchaus auch zu lesen als Wegelagerer), ist der Krieg derselben unausweichlich“ (Franz Schandl, Vom Verkaufen, „Streifzüge“ 38/2006). Mit seinem begründungslosen „Fordern“ nimmt das eigene Blatt nun selber die Pose des Wegelagerers ein. Nicht der Inhalt spricht, und nicht den LeserInnen wird die Beurteilung überlassen, ob er abonnierenswert ist. Stattdessen soll das Verb „fordern“ suggerieren, dass hier eine muskelbepackte Kraft auf dem Schauplatz der „Wegkriegerei“ erscheint, der man besser Zugeständnisse macht und einen Tribut zahlt, wenn man nicht der Ausgrenzung aus einer forderungsfähigen Gemeinde verfallen will.
Natürlich ist das eine ziemlich primitive Reklametechnik, um Identifikation mit dem Wegelagerer zu erzeugen. Noch primitiver setzt sich diese Technik fort, wenn die „Streifzüge“ von Zeit zu Zeit ihre „machtvolle“ Forderungshaltung als eine Art Abo-Tachometer darstellen. Die „geforderten“ 300 oder 350 usw. sind noch nicht erreicht, aber auf der „Abonnenten-Uhr“ sind schon 279 verzeichnet. Jetzt soll das Publikum mitfiebern, ob das Ziel in Bälde erreicht wird; ungefähr wie beim Zieleinlauf eines favorisierten Sprinters oder Rennfahrers, den man siegen sehen möchte – hier eben beim agonalen Finish der „Wegkriegerei“. So wird radikale Kritik, ohnehin in vieler Hinsicht längst auf die „Zirkulationsgegenständlichkeit“ reduziert, selber unmittelbar als eine solche buchstäblich ins „Rennen“ geschickt in der Arena der „Meinungsgegenständlichkeit“. Die Form der „Verkaufe“ dementiert den Inhalt (oder entspricht seiner Verkürzung); und dem Publikum wird unversehens der Part von „Fans“ übertragen, die bloß ein Formular auszufüllen brauchen, um ein äußerliches Ziel des Absatzes miterfüllen zu helfen.12 

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