jeudi 5 mai 2011

ARBEIT OHNE WERT

Deutschland ist allseits bewunderter Weltmeister im Wirtschaftsaufschwung. Die Konjunktur brummt, der Arbeitsmarkt boomt. Aber der schöne Schein könnte trügen. Das stärkere Wachstum als in anderen westlichen Ländern ist bloß die Kehrseite des besonders tiefen Absturzes 2009. In diesem Jahr hatte die BRD mit fast 5 Prozent das größte Minus unter den entwickelten Industriestaaten zu verzeichnen. Die extremen Ausschläge zuerst nach unten und dann nach oben zeigen nur, dass die deutsche Wirtschaft die exportabhängigste der Welt ist.
Der neue Höhenflug konzentriert sich dabei mehr denn je auf die Autoindustrie und den Maschinenbau. Die Autohersteller liefern vor allem Luxuskarossen nach China und in die USA, während der europäische Absatz eher stagniert. Der Maschinenbau bedient in wachsendem Ausmaß die Investitionswelle in China, mit der dort die Krise aufgefangen wurde. Aber diese beiden äußeren Wachstumsmotoren werden hauptsächlich durch riesige Staatsprogramme und künstlich billig gemachtes Geld am Laufen gehalten. Wenn die bereits anziehende Inflation die chinesische und die US-amerikanische Notenbank zu spürbaren Zinserhöhungen zwingt, könnte dem Boom schnell die Luft ausgehen. Die viel bejubelten zusätzlichen Stellen in den zentralen Exportsektoren würden sich dann als „Arbeitsblase“ entpuppen, die platzen muss, weil die externe Kaufkraft für die Exportschlager gar nicht auf realer Wertschöpfung beruhte. Die staatliche Geldmaschine ist nicht tragfähiger als zuvor die finanzkapitalistische.
Trotz des fiebrigen Booms ist die exportindustrielle Basis des Arbeitsmarkts in der BRD schmal. Dem ideologischen Exportchauvinismus entspricht eine kleine „Arbeiteraristokratie“ auf Abruf, während sich im Windschatten der außenwirtschaftlichen Gewinne und Einkommen die prekäre Beschäftigung im Inneren weiter rasant vermehrt. Der stolz präsentierte Abbau der Arbeitslosigkeit beruht nur in wenigen Exportsegmenten auf zusätzlichen Vollzeitstellen mit Beschäftigungsgarantie. Ein größerer Teil der neuen Stellen ist befristet und untertariflich bezahlt. Vor allem aber explodiert die Zahl der 400-Euro-Jobs, die 2010 auf 7,3 Millionen gestiegen ist. Immer mehr reguläre Stellen werden in solche Jobs zerlegt, die Bezahlung liegt oft nur bei der Hälfte des Tariflohns. Und fast zwei Drittel dieser Mini-Jobber sind Frauen. Nach ökonomischen Gesetzmäßigkeiten müsste eine selbsttragende Konjunktur den allgemeinen Preis der Arbeitskraft erhöhen. Dass im Gegenteil deren Entwertung dramatisch fortschreitet, ist ein Indiz für die mangelnde Substanz des Aufschwungs.
Tatsächlich ist ein Großteil der prekären Beschäftigung in kapitalistisch unproduktiven Sektoren angesiedelt. Sie muss aus der realen Mehrwertproduktion alimentiert werden, die jedoch ihrerseits nur noch simuliert wird; inzwischen durch staatliche Geldschöpfung. Der davon genährte globale Exportboom ist in den meisten Industrieländern und insbesondere in der BRD eine Minderheitsveranstaltung. Das billige Geld führt nur in diesen Sektoren zu Erweiterungsinvestitionen, die jedoch in der Breite von Industrie, Handwerk und Dienstleistungen ausbleiben. Stattdessen fließt die Geldschwemme der Notenbanken großenteils wie gehabt in den Finanzüberbau. Die Kehrseite der „Arbeit ohne Wert“ ist eine erneute Blase auf den globalen Aktienmärkten, die unter diesen Bedingungen erst recht keine Indikatoren mehr für die reale ökonomische Entwicklung sind, sondern auf sich selbst bezogen bleiben und ein Trugbild abgeben. Zusammen mit Inflation und staatlichen Schuldenkrisen ist der nächste Entwertungsschock auf den Finanzmärkten programmiert.

Robert Kurz

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