Das Prinzip Hoffnung regiert nicht nur in Berlin. Der größte Einbruch der Weltwirtschaft in der Nachkriegsgeschichte soll auch der kürzeste gewesen sein. Als Licht am Ende des Tunnels gelten positive Zahlen im Promillebereich für das Sommerquartal, die schon wieder hochgerechnet werden. Zwar bleibt im laufenden Jahr unterm Strich hierzulande ein Absturz des Bruttoinlandsprodukts um 5 Prozent. Aber der scharfe Rückgang des Wachstums, so heißt es, sei jetzt zum Stehen gekommen. Für 2010 erwarten die deutschen Wirtschaftsinstitute wieder ein Gesamtwachstum von 1 Prozent. Allerdings wäre das auf der neuen, tieferen Ausgangsbasis nur eine stagnative Entwicklung, noch dazu belastet von faulen Bank- und Unternehmensbilanzen sowie explodierenden Staatsschulden. Wenn der berühmte selbsttragende Aufschwung längerfristig aus der Stagnation mit drohenden Rückschlägen herausführen soll, gibt es dafür einen zentralen Indikator, nämlich das steigende Investitionsvolumen. Davon ist bis jetzt wenig die Rede.
Bekanntlich wurde der Absturz zunächst durch staatliche Konjunkturprogramme aufgefangen. Ein erheblicher Teil davon floss in die Stimulation des Konsums, wofür zentral die inzwischen in der BRD und in den USA ausgelaufene Abwrackprämie steht. Staatliche Investitionen im Zuge der Konjunkturprogramme gehen in den Ausbau der Infrastrukturen (Straßen, Schulhausrenovierung etc.). Das hilft zwar der Bauindustrie und Teilen des Handwerks. Aber zusätzliche Investitionen in diesem Sektor sind kaum zu erwarten. Dafür ist das Volumen der Konjunkturprogramme zu klein, das leicht mit den während des Immobilienbooms und der vergangenen Defizitkonjunkturen aufgebauten Kapazitäten bedient werden kann. Gesamtwirtschaftlich handelt es sich bei der Mobilisierung dieser Kapazitäten überdies um Staatskonsum, der nicht aus laufenden Einnahmen gedeckt ist, sondern eben auf zusätzlichen Schulden beruht, die mittelfristig die Konjunktur eher belasten.
Es hängt also alles davon ab, ob ein autonomer Investitionsschub bei den Konzernen und auf breiterer Front bei den mittelständischen Unternehmen einsetzt. Dort beruhen die verbesserten Quartalszahlen bis jetzt allein auf Sparmaßnahmen (Kurzarbeit, Lohnsenkung, Beschäftigungsabbau), während die Umsätze in den meisten Sparten immer noch zurückgehen. Die Exporte sind in den zentralen Weltregionen um 20 Prozent gefallen. Davon betroffen sind die Grundstoffindustrien (Stahl) ebenso wie die Investitionsgüterindustrien (Maschinenbau), die Konsumindustrien (Autos) und nicht zuletzt die Transportindustrien (Bahn, LKW-Speditionen und vor allem Containerschiffe). Bei dem prognostizierten Wachstum im 1-Prozent-Bereich für die kommenden beiden Jahre bestehen also weiter gewaltige industrielle Überkapazitäten. Das gilt auch für die ganze Palette der Zulieferbetriebe und der industriellen Dienstleistungen.
Ein Wachstum, das nur auf stimuliertem Konsum beruht, ist nicht selbsttragend. Auf größere Frist schiebt primär nicht der Konsum die Investitionen an, sondern die Investitionskonjunktur den Konsum. Allein daraus kann genügend Kaufkraft im Kapitalkreislauf entstehen. Angesichts der Überkapazitäten ist aber eher mit einem Investitionsstau zu rechnen. Die von der Niedrigzinspolitik der Notenbanken getriebene Liquidität fließt nicht in reale Investitionen, sondern in die Aktienmärkte, die mit ihrem zwischenzeitlichen Höhenflug einen illusorischen Aufschwung vorwegnehmen. Der Investitionsstau ist der blinde Fleck im derzeitigen Hoffnungsdiskurs, der mit einem bösen Erwachen enden könnte.
erschienen im Neuen Deutschland
am 30.10.2009
am 30.10.2009
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