Wenn an einem Gegenstand etwas kritisiert wird, so setzt dies voraus, dass dieser Gegenstand als Ganzes schon einer kritischen Würdigung unterzogen worden ist, also jene, die an einem Gegenstand etwas kritisieren, schon ein Bild von ihrem Gegenstand haben, wie er nun beschaffen sei oder wie beschaffen sein soll. Wenn nun ein Teil, eine Äußerung dieses Gegenstands kritisiert wird, so je nach dem, ob mit dem Gesamten ein Einverständnis hergestellt wurde. Wir kennen dies aus der Kritik eines Konzerts. Der Kritiker hat die Komposition - also das Ganze - ebenso zu beachten wie das Dirigat und die Vorstellung der Solisten. Ist aber der Kritiker etwa aus grundsätzlichen Erwägungen kein Verfechter, eher ein Bekämpfer der Zwölftonmusik, so wird die beste Geigerin mit der präzisesten Vorführung des Requiems für einen Engel ihn nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen können.
Ist unser Gegenstand die Gesellschaft selbst, so stehen wir vor demselben Problem. Wenn wir etwas an ihr kritisieren, etwa steigende Arbeitslosigkeit oder kulturelle Verwahrlosung, so müssen wir uns der Frage stellen, von welchem Standpunkt aus wir diese Kritik entfalten. Die eine Möglichkeit ist die, die Komposition für gut, aber die Aufführung für schlecht zu halten (um im Bilde zu bleiben); die andre ist, schon das Werk selbst zu verwerfen und die Ausführenden zu bedauern wegen ihrer Plage mit dem Stück oder sie zu tadeln, weil sie mit ihrer Darbietung ein unrettbar hässliches Ding verbreiten. Was nun die Gesellschaft als Gegenstand der Kritik betrifft, so müssen wir, wenn wir an ihr etwas kritisieren, uns, um diesen Gegenstand durchdringen zu können, den Fragen nach ihren Versprechen ebenso wie nach ihrer Gestalt stellen. Ist, was uns die Gesellschaft verspricht, für uns genug? Oder müssen wir nach mehr und anderem verlangen? Und ist ihre Organisationsform dazu angetan, einzulösen, was sie verspricht? Wir werden diese Fragen zum Ausgangspunkt machen, wenn wir einen Rundgang durch das Gebäude der Wert- und Abspaltungskritik antreten.
Wertkritik
Was uns unsere Gesellschaft verspricht, ist in erster Linie die Garantie der allgemeinen Wohlfahrt durch das Verfolgen der Wohlfahrt der jeweils Einzelnen für sich selbst. Verfolgen diese Einzelnen also ihr Glück, ergibt sich daraus - so das Versprechen unserer Gesellschaft - das Glück aller. Das mag zwar auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, denn wie sollte es anderen besser gehen, wenn ich bloß darauf achte, dass es mir gut gehe? Nun erklärt mir unsere Gesellschaft auf diesen Einwand hin, dass ich mich darum nicht zu bekümmern brauchte. Ich brauchte nur mein Auskommen dergestalt besorgen, dass ich, was ich nicht selbst herstelle, von anderen beziehe, was ich nicht selbst verzehre, anderen zur Verfügung stelle. Gleichzeitig bietet die Gesellschaft eine Garantie dafür, dass keins bei diesem Tauschakt übervorteilt werde; was getauscht wird, wird zu einem Wert getauscht.
Zwar kann ich, wenn ich einen Narren finde oder eine Notlage ausnutze, über dem Wert der zur Verhandlung anstehenden Gegenstände tauschen, aber prinzipiell ist dieser Wert unhintergehbar, denn er stellt eine gesellschaftliche Garantie dar, er ist die Übereinkunft, zu der sich die Einzelnen bereit gefunden haben. Dieses "Bereit gefunden haben" ist auf zwiefache Art zu lesen. Die Einzelnen haben sich bereit gefunden, also eine Übereinkunft getroffen; anders gelesen heißt es, die Einzelnen haben sich schon für die Wertgarantie vorbereitet vorgefunden. In jedem Fall aber akzeptieren sie die Tatsache, dass sie zu einem Wert tauschen. Ja noch mehr: Sie sehen diesen Tausch nicht als Notwendigkeit, sich Dinge zu verschaffen, die sie selbst nicht herstellen, wohl aber brauchen können, sie sehen diesen Tausch also nicht als Ergänzung zu ihrer Produktion. Sie sehen im Gegenteil diesen Tausch schon als Voraussetzung für ihr Tätigwerden an, schon als etwas, das ihre Produktion bestimmt. Und diese Produktion sehen sie als das eigentümlich Gesellschaftliche ihrer Existenzweise an, auch wenn sie dabei noch von der Verwirklichung ihrer eigenen Wohlfahrt ausgehen; denn dass sie im Tausch Gerechtigkeit erfahren durch einen Wert, der von allen garantiert und respektiert wird, erlaubt ihnen, im Hinblick auf diesen Tausch tätig zu werden.
Wir finden also eine Gesellschaft vor, die ihre Garantien, Versprechen und Regulationen nicht an einen Verbund von Leuten richtet und die Beziehungen dieser Leute nicht in einem Gemeinwesen und durch dieses hindurch ordnet und bestimmt. Die Ordnung der Beziehungen der Leute dieser Gesellschaft untereinander wird nicht durch ein Gemeinwesen reguliert, vielmehr bleibt auch dies den Einzelnen überlassen in ihrem Streben nach Wohlfahrt und Glück. Die einzige Garantie, die diese Gesellschaft gibt, ist die, dass die Einzelnen als Einzelne für sich sorgen dürfen - und wohl auch müssen. Wir werden uns diesem Zusammenhang wohl auch die Frage stellen müssen, ob der Begriff "Gesellschaft" in Zukunft nicht doch nur für unsere sozialen Zustände anzuwenden sein wird, doch davon später. Was sich als gesellschaftlich im engeren Sinn an unserer Gesellschaft nun herausstellt, also die Ordnung, das Zustandekommen sozialer Beziehungen, ist dabei nicht einmal der Tausch, in dem verschiedene Leute zusammenkommen und verschiedene Produkte verschiedener Tätigkeiten verhandelt werden. Das pure Gesellschaftliche ist die Tatsache, dass im Hinblick auf die recht eigentümliche Gesellschaftlichkeit hin produziert wird: auf einen Tausch hin, der nicht Ausgleich der Gesamtproduktion unter allen Leuten ist, so dass ein jedes dasselbe verzehre, sondern der einen Wert realisiert, der von einem Ausgleich der Produktion zum Verzehr unabhängig ist und davon nicht berührt wird.
Der Tausch drückt also dieser Gesellschaft als das eigentlich Gesellschaftliche seinen Stempel auf, indem er bei den ersten produktiven Äußerungen der Gesellschaft, beim Herstellen der für die Reproduktion notwendigen Güter schon nicht nach der Verteilung und dem Verzehr dieser Güter fragt, sondern nur fordert, dass sie, bevor sie in irgendeinen Verzehr überhaupt eingehen können, getauscht werden müssen. Wer nun aber produziert - oder richtiger: herstellt, denn "Produzieren" beinhaltet ja schon den vorausgesetzten Tauschakt - bloß für seinen eigenen Konsum, geht dieser Gesellschaftlichkeit verlustig. Das Alltagsbewusstsein vermittelt uns davon einen Begriff. Wer auf dem eigenen Hof bloß für sich herstellt ("Bauern nix hergebns, selber fressns" erklärt uns das Volkslied), wird aus der modernen Gesellschaft ausgeschlossen und als hoffnungslos rückständig gebrandmarkt. Wer hingegen als Lumpensammler noch auf dem geringsten Rohstoffmarkt der Dritten Welt reussiert, kann sich die Hoffnung aufrecht erhalten, doch noch vom Schuhputzer zum Millionär zu werden.
In dieser Gesellschaft wird also der Bezug ihrer Mitglieder untereinander nur dadurch hergestellt, dass sie aneinander etwas wert finden - und dazu produzieren sie. Der Wert verdoppelt so die gesellschaftlichen Äußerungen; zwischen Herstellung und Verzehr tritt ein Tausch, der nicht Ausgleich ist, sondern Verzehr erst möglich macht. Was nicht vorher getauscht wurde, kann erst gar nicht in den Konsum eingehen, eher wird es vernichtet als seiner Bestimmung, getauscht zu werden und zwar zu einem unhintergehbaren Wert, nicht zugeführt. Diese Verdoppelung tritt aber nicht erst im Tauschakt auf, da der Wert dort nicht entsteht, sondern nur realisiert wird. Der Wert entsteht schon im Akt der Produktion, da Produkte als Träger von Wert hergestellt werden, oder anders gesagt Waren.
Arbeitskritik
So ist, was für die Produktion eines bestimmten Guts benötigt wird, nur als Ware vorhanden einschließlich der dazu nötigen Arbeitskraft. Es sind also Warenströme, die die Reproduktion der Gesellschaft regulieren, und der Erwerb oder Verkauf von Waren einschließlich der menschlichen Arbeitskraft auf Rechnung Einzelner stellt die Wohlfahrt aller dar.
Die Gesellschaft hat also nicht gelogen, wenn sie uns dieses unlogische Versprechen macht. Dieses Versprechen kann aber nur gehalten werden, wenn die einzelnen Mitglieder selbst diese Einlösung garantieren. Das heißt, sie erklären sich damit einverstanden, nicht für sich selbst herzustellen, sondern für den Tausch zu produzieren. Sie erklären sich dazu bereit, zu Gunsten dieser Produktion sich selbst in Wert zu setzen und sich als für die Produktion vorausgesetzte Ware zu betrachten. Sie akzeptieren, dass sie mit ihrem Vermögen auf dem Markt handeln, anders gesagt, ihre Arbeitskraft als Ware anbieten. Als Ware hat ihre Arbeitskraft wie alle anderen Waren einen Wert. Sie akzeptieren, dass ein Wert von Waren sein Versprechen, die Gesellschaft zu regulieren, durch das Fortkommen der Einzelnen das Fortkommen aller zu gewährleisten, nur halten kann, wenn dieser Wert einheitlich für alle Waren bestimmt ist. Sie akzeptieren das Augenscheinliche, dass ein Wert als der Wert nur gesellschaftlich vermitteln kann, wenn er für alle gleich bestimmt wird durch die in ihm enthaltenen Erstehungskosten, die wieder auf vorausgesetzte Waren bezogen sind, die wieder produziert wurden ad infinitum. Sie akzeptieren, dass in den Waren, die sie produzieren, die Kosten vorheriger Herstellung enthalten sind, in den Waren also im Zug ihrer Produktion vergangene Arbeit angehäuft wird, die entsprechend ihrer Herstellungskosten in Wert gesetzt und abgegolten werden muss. Sie akzeptieren, dass ihre eigene Arbeitskraft, die sie in der Produktion zusetzen, als Ware entsprechend ihrem Wert abgegolten wird, also ihrer Produktionskosten selbst.
So akzeptieren sie, dass sie nicht wesentlich reicher werden in diesem Prozess der Produktion, der als Arbeit auf sie kommt. Sie bekommen ersetzt, was sie im Produktionsprozess als Arbeit verausgaben, um sich selbst auf dem gesellschaftlich sanktionierten Stand von Wohlfahrt zu erhalten, damit sie im Produktionsprozess wieder als Arbeit verausgaben können, was sie als Ware Arbeitskraft verkaufen. Dabei akzeptieren sie, dass der Wert ihrer Ware wiederum in einen Tauschwert zerfällt, den sie abgegolten bekommen, und in einen Gebrauchswert, der den Repräsentationsfonds der Gesellschaft darstellt. Der Gebrauch, der von einer Ware gemacht wird, ist von seinem Tauschwert nämlich unabhängig; vielmehr stellt er die Verfügung über die Garantien dieser Gesellschaft dar und den Platz in ihr. Der Gebrauchswert ist also die affirmative Seite des Tauschwerts, die Seite des Werts, die nicht als gemeinsames Drittes aller Einzelnen sie aufeinander als Einzelne bezieht, sondern die Seite des Werts, über die sich alle Einzelnen auf die gesellschaftliche Vermittlung beziehen; in diesem Sinne meinen wir, den Gebrauchswert (als seine Summe) zu Recht als Repräsentationsfonds der bürgerlichen Gesellschaft bezeichnen zu können.
Die Einzelnen akzeptieren also im Produktionsprozess als Arbeit, dass der Gebrauchswert ihrer Arbeitskraft als Erzeugung von Werten sich darstellt, die über das Wertvolumen der Reproduktionskosten ihrer selbst hinausreicht. Sie akzeptieren dies, indem sie auch nicht von Ausbeutung sprechen, sondern hierin ein Erfüllen des Versprechens sehen, die Verfolgung ihrer Ziele individueller Wohlfahrt würde die Wohlfahrt aller befördern. Sie sehen also den Gebrauch, der von ihrer Arbeitskraft gemacht wird, völlig richtig als Zufuhr zum Repräsentationsfonds ihrer Gesellschaft und gegebenen Falls als dessen Vermehrung.
Sie akzeptieren dabei des Weiteren, dass der Wert in seinen beiden Seiten gegenüber dem Inhalt ihrer Tätigkeit vollkommen neutral ist. Weder als Tauschwerte noch als Gebrauchswerte spielen die sinnlich-stofflichen Eigenschaften der Waren eine Rolle und in dieser Indifferenz verharren auch die produzierenden Individuen. Die Arbeit erscheint als abstrakt, von ihrem persönlichen Glück, ihrer individuellen Wohlfahrt abgeschnitten; diese stellt sich erst außerhalb der Arbeit für sie her. Dennoch ist sie Voraussetzung, da sie eine Inwertsetzung der Individuen und daher deren Reproduktion, die vom Wert abhängig ist, erst ermöglicht. Inhaltlich bleibt sie aber abstrakt und ist nicht an die persönlichen Interessen, Vorlieben und Bedürfnisse der Produzierenden gebunden, ja kann ihnen sogar widersprechen.
Arbeit erscheint nur dort konkret, wo sie affirmatorisch und ideologisch auftritt: wo sie auf ihrer schieren Existenz beharrt, losgelöst vom inhaltlich-stofflichen Herstellen, losgelöst von apologetischen Bestimmungen als Stoffwechsel mit der Natur oder als ontologisch begründetes Tätigsein. Sie erscheint dann als reine gesellschaftliche Beschäftigung und überschreitet dabei sogar die Form sinnentleerter Tätigkeiten wie der Handgriffe am fordistischen Fließband oder der telefonischen Auskünfte der Callcenter und kommt in einem Tun zu sich, das Arbeitslosen (wie übrigens allen anderen Leuten auch) zugemutet wird. Deren Arbeit - und zwar als wirkliche echte gesellschaftliche Arbeit - besteht dann nur noch darin, dass sie verfügbar sind, auch wenn sie nichts tun. Ihr Gebrauchswert fällt mit der Affirmation der Gesellschaft in eins und Arbeit zeigt sich als Stoffwechsel mit der Gesellschaft.
Subjektkritik
Die Individuen, die in dieser Gesellschaft ihr Überleben gesichert sehen, müssen, um die Versprechen dieser Gesellschaft eingelöst zu bekommen, noch eine weitere Vorleistung mitbringen: Sie müssen sich aktiv an der Gesellschaft beteiligen. Dass die Einzelnen durch die Sorge um sich das allgemeine Wohl befördern, ist ja kein gut gemeintes Angebot, sondern eine dringende Verpflichtung, die eingefordert wird. Das Paradoxe an dieser Forderung ist aber, dass sich die Leute, um dieser Art von Gesellschaftlichkeit teilhaftig werden zu können, als Einzelne konstituieren müssen. Sie müssen sich also in dieser Gesellschaft als Doppelwesen denken: als vereinzelte Mitglieder eines sozialen Zusammenhangs, der sich hinter ihrem Rücken durchsetzt, und als gesellschaftlich Wirkende, deren einzige gesellschaftliche Tätigkeit die pure Affirmation ist, die Beachtung der Gesetze, die das Verfolgen des eigenen Wohlergehens als gesellschaftliche Grundlage und Tätigkeit verlangen.
Dieses erforderte Verhalten bringt den dieser Gesellschaft recht eigentlichen Menschenschlag hervor, die Subjekte, die wir als aktiv Unterworfene beschreiben können. Subjekte können sich nur in dieser Gesellschaft und nur als ihr Unterworfene konstituieren. Sie erhalten die Freiheit zu ihren Unternehmungen in dieser Gesellschaft nur durch die Preisgabe der Freiheit, ihre persönlichen Beziehungen zu anderen zu gestalten. Sie akzeptieren also von vornherein, dass in diesem Zusammenhang eine übergeordnete Instanz wirkmächtig ist, die alle Freiheiten, die vor unserer Gesellschaft ausgeübt wurden und die sich in der Bewaffnung des Freien, des freien Mannes ausgedrückt haben, an sich gezogen hat. Die Freiheit der gesellschaftlichen Subjekte drückt sich also in einer Behauptung von Freiwilligkeit aus, sich aus vernünftigen Gründen den Gesetzen der Gesellschaft zu unterwerfen. Damit wird die Freiheit erlangt, geschützt Unternehmungen einzugehen, die nun darauf abzielen, das Wohl der Einzelnen zu fördern. Gesellschaft wird also nicht für sich betrachtet, als ein tätiges Gemeinwesen wie etwa eine Kirche oder ein Reich, Gesellschaft wird betrachtet als Ergebnis der Summe der Tätigkeiten ihrer einzelnen Mitglieder.
Subjekte kommen nun zu einer Regulierung ihrer wechselseitigen Unternehmungen dadurch, dass sie sich wechselseitig durch Verträge binden. Als Grundlage dieser Verträge tritt dabei wieder der einheitliche Wert auf, der sich als gesellschaftliche Übereinkunft letzter Instanz herausstellt. Als Wert erscheint hier ein durchschnittliches Maß an Arbeit, die als notwendig erscheint, mit den vorhandenen und zur Verfügung stehenden Mitteln Güter als Waren für den Tausch zu produzieren. Dieses jeder reproduktiven Tätigkeit schon vorausgesetzte Tauschen schlägt sich auch im Vertrag nieder, der seinen Charakter als Tauschakt nicht verhehlen kann. Verträge sind immer bezogen auf eine wechselseitige Verpflichtung, die proportional sein muss. Und so wie der Wert nur einer sein kann, den eine Ware hat, so sind auch die Individuen, die das Tauschen ihrer Werte vertraglich vornehmen, der Einheitlichkeit dieses Werts nachgebildet. Und wie der Wert einer Ware in Gebrauchswert und Tauschwert zerfällt, zerfällt auch das als Subjekt konstituierte Individuum in zwei Bereiche, die aber gleichermaßen auf das Gleiche, auf das Gesellschaftliche bezogen ist. Der Tauschwertseite des Werts entspricht dabei das ökonomische Individuum, der Gebrauchswertseite das Individuum als politisches.
Es sei hier, bevor wir in der Darstellung weitergehen, auf das Demiurgische des Vertrags hingewiesen: Während in sozialen Zusammenhängen vor unserer modernen Gesellschaft eine Instanz sich bemerkbar machte, transzendent, göttlich oder geistig, die die Leute quasi lehrte, in ihrer Gesellschaftlichkeit sich aufeinander zu beziehen, in diesem Bezug aufeinander zusammen das Göttliche oder Geistige zu erfahren, das ihnen ihre Gesellschaftlichkeit bestätigte, so bestätigen nun die Verträge der Subjekte untereinander deren Gesellschaftlichkeit. Indem also die Subjekte Verträge abschließen (sich vertragen), stellen sie diese eigentümliche Gesellschaft her. Indem sie mit diesen Verträgen diese Gesellschaft, also Gesellschaftlichkeit herstellen, übernehmen sie und ziehen auf sich die sozialen Kompetenzen, die eben noch bei den Göttern angesiedelt waren; sie werden nun selbst zu Schöpfern, aber ihre Schöpfung ist nicht mehr gottgewollt, sondern beispielsweise demokratisch. Gleichzeitig wird dies durch Verträge Geschaffene - das spezifische Gesellschaftliche - in einer Gestalt präsentiert, als wäre es immer schon da und würde nur durch die Verträge einem korrekten, gerechten Gebrauch zugeführt.
Hier zeigt sich auch das Dunkle am Gebrauchswert. Erscheint er noch bei Marx als das schier Nützliche, das eine jede Ware aufweisen muss, um überhaupt in einen Tausch eingehen zu können, so verschiebt eine genauere Betrachtung den Akzent darauf hin, dass mit dem Gebrauchswert nur das Auftreten von Nützlichkeit bezogen auf die warenproduzierende Gesellschaft gemeint sein kann. So ist die Rede vom Gebrauchswert eine zwiefache: Einerseits verweist sie auf eine krude Nützlichkeit, die aber andererseits von ihrer - sozusagen natürlichen - Eigenschaft auf die Tatsache verweist, dass diese Nützlichkeit sich nur gesellschaftlich äußert, ja nur gesellschaftlich erfahren werden kann. Nützlichkeit als quasi natürliche Eigenschaft von Gütern würde den Strukturen unserer Gesellschaft sofort entraten und könnte gar nicht wahrnehmbar werden. Gebrauchswert wird nur dort wahrnehmbar, wo er auf gesellschaftliche Art realisiert wird: Das heißt, er muss in gesellschaftlichen Konsum eingehen, selbst dort, wo der Konsum nach erstem Augenschein Privatsache ist, Konsum ist ja schon der Verzehr von Waren, also ein Verzehr, der jenseits der gesellschaftlichen Ordnung nicht denkbar ist.
Gespenstisch ist der Gebrauchswert in dieser Zwieschlächtigkeit. Das auf der Hand Liegende, Augenfällige, dass ich nur nützliche Dinge verwende, deckt vollkommen die Tatsache zu, dass ich des Nützlichen nur in seiner gesellschaftlichen Form habhaft werden kann, jeder Nutzen, den ich ziehe, also auch schon die Bestätigung der Form von Gesellschaft ist, in der ich verkehre. Das macht es aber leicht, das Gesellschaftliche hinter dem Offensichtlichen der Nützlichkeit gar nicht wahrzunehmen. Es muss erst von der Theorie an s Tageslicht gekitzelt werden. Diese Zwieschlächtigkeit macht sich, wie oben behauptet, auch am Individuum geltend, wenn wir es nach seiner Gebrauchswertseite hin untersuchen. Der politische Mensch, der engagierte Bürger, der "citoyen" kann sich darauf berufen, dass er nur der Binsenweisheit des Menschen als gemeinschaftlichem Wesen entspricht. Daher nehmen wir an der Politik auch nur das gespenstisch Schillernde wahr, das sich in institutionalisiertem Verhalten, in Schule und Parlament, in Aufzügen und Wahlen, in Rundfragen und am Stammtisch zeigt. Dass wir mit der Behauptung einer gesellschaftlichen Natur der Menschen dabei direkt auf unsere Gesellschaft verweisen, entgeht uns dabei, selbst wenn wir an dieser Gesellschaft kritisieren, auf welch niedrigem Niveau und ohne Wirksamkeit sich das Politische bewegt. Sagt da eins in ein vorgehaltenes Mikrofon seine Meinung, hat es schon als Citoyen gehandelt, auch wenn wir noch die Stumpfsinnigkeit der eben geäußerten Meinung verspotten. Dass Meinung dem Subjekt als politischem zusteht und es sie äußern muss, entgeht da leicht der Aufmerksamkeit, wenn wir bei der quasinatürlichen Tatsache hängen bleiben, dass Leute Ansichten über Verschiedenes haben.
Die Meinung aber, deren Freiheit gesellschaftlich garantiert ist, deutet auf etwas anderes. Hier haben wir es mit der politischen Ausformung des Subjekts zu tun. Meinung ist der gleiche politische Ausdruck des Subjekts, wie es auf der ökonomischen Ebene die Unternehmung ist. Dass die Gesellschaft darauf keinen inhaltlichen Einfluss ausübt (oder nur sehr beschränkten, insoweit sie Restriktionen erlässt, die auf die Garantie aller Einzelnen abstellt), entspricht ihrem Versprechen, das Fortkommen der jeweils Einzelnen zu garantieren. Subjekte können also sich äußern, sprechen und handeln, das Fortkommen der Gesellschaft besorgen, ohne dabei auf ein auf ein Gemeinwohl bezogenes Agieren achten zu müssen. Die einzige Verpflichtung besteht darin, dass sie dieses Sich-äußern-Können vollziehen müssen. Was also als Bewegung und Entwicklung unserer Gesellschaft erscheint, ist nicht planmäßigem Handeln bezogen auf ein Gemeinwesen geschuldet, sondern dem Erhalt der Bedingungen, unter denen sich die Einzelnen verwirklichen müssen.
So erscheinen die gesellschaftlichen Subjekte in ihren Tätigkeiten sonderbar konsequenzlos. Sie produzieren - wenngleich für die Öffentlichkeit eines Markts, auf dem sie kaufen und verkaufen - nur für ihre eigene Reproduktion. Sie vertreten ihre Meinung - wenngleich öffentlich kundgetan - nur für ihre eigenen Interessen. Was sich in der Gesellschaft an Bewegung und Entwicklung zeigt, ist keine Konsequenz eines gemeinschaftlichen Handelns, das durch die bewusste Koordinierung der Mitglieder der Gesellschaft sich vollzogen hätte. Die Mitglieder dieser Gesellschaft bleiben einer Entwicklung und Bewegung unterworfen, die ihnen scheinbar autonom, als Gesamtvertrag, den es zu halten gelte, als allgemeiner Wille, der ihnen die Richtung vorgibt, gegenüber tritt. Diese Unterwerfung, in der sich Gesamtvertrag und allgemeiner Wille als vernünftig ausdrücken, wird als Herrschaft von den Subjekten anerkannt, aber bloß als Herrschaft über sich selbst. Diese Herrschaft kommt also ohne ein Subjekt aus, es seien denn die vielen Subjekte gemeint, die sich entlang ihrer je einzelnen Interessen und Unternehmungen organisieren können und so als herrschend sich darstellen, soweit sie ihr Metier beherrschen.
Abspaltungskritik
Das Subjekt nimmt in der Gesellschaft eine Gestalt an, die nicht nur von der oben bestimmten Form der Gesellschaftlichkeit bestimmt ist, sondern auch davon, was in der beschriebenen Form nicht aufgeht. Wir haben ja schon gesehen, dass sich diese Gesellschaftlichkeit nur daraus ergibt, dass die Einzelnen jeweils für sich handeln. Das Gesellschaftliche setzt sich erst hinter ihrem Rücken durch und scheint für sie durch ihre Produkte bestimmt, die danach schreien, ausgetauscht zu werden. Was also an einem Menschen einem direkten, gerichteten, unmittelbaren Bezug auf einen anderen Menschen entspricht, ist durch den Tauschakt selbst abgeschnitten und wird sonderbarer als Privatsache angesehen. Gesellschaftlichkeit, die in unserer Gesellschaft diesen Namen verdient, also den Einschluss anderer in die eigenen Lebensäußerungen, kann ja bloß - wie gesagt und versprochen - durch das Verfolgen und Erreichen eigener Zwecke sich herstellen.
Es wird also behauptet, bloß das eigene Interesse, formuliert nur nach eigenen Vorstellungen, ja sogar gegen die Unternehmungen anderer, sei gesellschaftlich, das Zusammentreffen von Mitgliedern dieser Gesellschaft in einem Rahmen, in dem sie ihre gemeinsamen Tätigkeiten aufeinander abstimmen (in einer Ehe wie in einem Geschäft) aber sei deren private Angelegenheit. Alles also, was nicht auf einen Tausch gleicher Werte zurückgeführt werden kann, wird gegen jede Empirie und gegen jede Erfahrung als nicht gesellschaftlich oder vorgesellschaftlich abgespalten. Diese Abspaltung ist aber nicht so zu verstehen, dass das Abgespaltene verworfen würde; im Gegenteil ist es so, dass das Abgespaltene erst durch die Zuweisung seines Ortes in der Gesellschaft diese konstituiert durch die Einnahme dieses Ortes. Das Abgespaltene erscheint also dort, wo die Bestätigung dieser Art von Gesellschaftlichkeit erfordert wird durch die notwendigen Tätigkeiten, etwa das Fristen seines Lebens auch im Rahmen von Vorfahren und Nachkommen zu betreiben oder die Erklärung für das Verweilen in dieser Gesellschaft. Der Ort, an dem dieses Abgespaltene sich findet, ist häuslich wie auch staatlich definiert; dieses Abgespaltene wirkt aber durch die ganze Gesellschaft hindurch und stellt so eine brüchige, kaskadierte Totalität her.
Sowohl das Häusliche als auch das Staatliche werden als nicht wirklich gesellschaftlich betrachtet, wenn sie auch mit einer gewissen Öffentlichkeit ausgestattet sind. Sie werden aber als für das Funktionieren der Gesellschaft als notwendig erachtet, wobei ihre jeweiligen Funktionen einander widersprechen können. Ist etwa im häuslichen Rahmen eine rassistische, sexistische oder antisemitische Sichtweise zulässig und in den Bereich der freien Meinungsäußerung verwiesen, so wird im staatlichen Rahmen diese Meinungsäußerung hintertrieben oder verfolgt, allerdings nur so weit als eine Öffentlichkeit betroffen ist - Hausrechte, Verträge und Vereinsstatuten erlauben natürlich den Ausschluss von Frauen, Rassen und Religionen als Teil der Garantien, das jeweils eigene Glück verfolgen zu dürfen. Das Abgespaltene irrlichtert also durch die Gesellschaft und verweist in diesen seinen Bewegungen auf einen Zusammenhalt, der so sonderbar ist wie das Versprechen dieser Gesellschaft. Wenn etwa Frauen an die häusliche Sphäre gebunden erscheinen, so erscheinen sie abgespalten von der gesellschaftlichen Tätigkeit der Verfolgung eigener Interessen und der sexistischen Zumutung, ihre Interessen von anderen definiert zu sehen, ausgesetzt. Wo sie aber als Subjekte auftreten, das heißt, in die gesellschaftlichen Zusammenhänge eintreten, die durch das Wahrnehmen und Verfolgen der eigenen Unternehmungen gebildet sind und deren Garantien sie in Anspruch nehmen, beziehen sie eine Position, die ihre schiere Weiblichkeit abspaltet bzw. in der ihnen diese Weiblichkeit zum Vorwurf und zum handicap gemacht wird: Sie müssen beweisen, dass sie den Ehrentitel des Subjekts auch wirklich verdienen und noch viel stärker überzeugend und positiver mehr leistend in die männliche Verwechselbarkeit von grauem Anzug und blauer Krawatte eintreten (wobei der Hinweis erlaubt sei, dass die Standardeinstellungen der Microsoftprogramme genau diese Farben blau und grau aufweisen und dass nichts zufällig ist).
Ähnliches gilt für andere Religionen, Rassen und für jüdische Menschen. Auch deren Orte der Abspaltung irrlichtern, ausgehend von Fremdem wie auch Vertrautem. Wird etwa dem Islam vorgeworfen, er hätte seine Aufklärung noch nicht gehabt (ganz so, als wäre das Zeitalter der Aufklärung eine Erfindung Roms oder der Staatskirchen), den Juden, sei seien Parasiten an ihrer eigenen Schöpfung (grad so als wären sie verantwortlich für Zustände, die sie ausbeuten), den Menschen anderer Hautfarbe, diese stehe auch für eine andere Kultur (ganz so, als wäre die Armut des Balkans oder Afrikas oder wessen auch immer dann ein kulturelles Erbe, das es zu bewahren gälte, auch von uns für sie, um sie nicht dieses Erbes zu berauben), so setzt gleichzeitig die Versicherung ein, sie hätten ja nichts zu befürchten, solange sie als Träger dieser Abspaltung nicht weiter auffielen. Selbst wenn sie also aus der Gesellschaft gestellt werden durch üble Zuschreibung, werden sie gleichzeitig in ihr gefangen gehalten, indem ihre schiere Existenz, die eigentlich als nicht gesellschaftlich und - schlimmer - nicht gesellschaftsfähig bezeichnet wird, also ihr biologisches Überleben zum Beweis für die Segnungen dieser Gesellschaft gemacht werden.
So zeigt sich an Rassismus, Sexismus, Antisemitismus deren ideologischer Gehalt (der diese gebrochene Totalität der Gesellschaft darstellt) sowohl in der Behauptung wie deren Bekämpfung. Hier ist dann auch der Ort des Häuslichen gemeint, in dem sich alle Behauptungen auf die mannigfaltigste Weise mischen können und so wieder das Schillern und Irrlichtern deutlich machen: der aufgeklärte Haushalt, der in seiner Abwehr eines unbegriffenen religiösen Fundamentalismus die Verfehlungen und Zumutungen der eigenen religiösen Tradition hochhält; der aufgeklärte Haushalt, der Multikulturalität auf Besuche von Restaurants und Vernissagen beschränkt und Kontakt zu anderen Nationen nur im Urlaub sucht und die Freundschaft seiner Kinder mit Mitschülern nicht zur Liebe wachsen sehen möchte, wenn da andere Herkunft oder Religion im Spiel ist; der aufgeklärte Haushalt, der die Politik des Staats Israel kritisieren dürfen will und so Normalitäten postuliert, die wieder nur das ideologische Idol und Idealbild reproduzieren und nirgends anzutreffen sind außer im aufgeklärten Haushalt, in dem die Frau es als Selbstverwirklichung betrachten muss, nicht arbeiten gehen zu müssen, und nichts davon weiß, dass ihre Arbeit (im Sinn der oben umrissenen Arbeitskritik und des Gebrauchswerts) hohles und andauerndes Repräsentieren des aufgeklärten Hauhalts ist.
Und abschließend sei darauf verwiesen, dass der staatliche Ort der Abspaltung, der wiederum durch seine Zuständigkeit für alles, was nicht im Tausch aufgeht aber dennoch geleistet werden muss, definiert ist, ebenso schillernd und irrlichternd, gebrochen und kaskadiert erscheint. Während einerseits seine Tätigkeit ebenso rohstofflich aufgefasst wird wie das Weibliche, als etwas Naturgegebenes, das nichts Gesellschaftliches, menschlich Geschaffenes darstellt, erscheint andererseits seine Tätigkeit als ein notwendiges Übel, das in Kauf genommen werden muss, klein gehalten und strengstens kontrolliert, wohl auch weil es darauf verweist, dass nicht alles durch den Tausch von Werten reguliert werden kann. Dennoch ist er als dieses notwendige Übel Repräsentant (wieder im Sinn unserer Gebrauchswertseite) einer Gesellschaft, die sich ja auch nur als Gesellschaft versteht, insofern sie andere Menschen in Kauf nimmt. Jedenfalls wird der Staat ebenso in Kauf genommen und daran gemessen, wie er die Bedingungen für die Versprechen der Gesellschaft gewährleistet und wie gering dabei der Aufwand ist - lässt doch ein hoher Aufwand den Verdacht keimen, mit dem allgemeinen Glück sei es nicht weit her, wenn es durch staatliche Eingriffe garantiert werden müsse, oder überhaupt trete das Fremde am Abgespaltenen dergestalt zu Tage, dass der Staat - in der Person seiner Politiker und Beamten - sich als Parasit an der Gesellschaft gueriere und seiner recht eigentlichen Tätigkeit entrate: Korruption, Nepotismus, Amtsschimmel und Bürgerferne führten dann zu Politikverdrossenheit, die wir so nicht als Reaktion auf die Einsicht in die Sachzwänge dechiffrieren, die die Illusion in den Primat der Politik zerstört haben soll, wir lesen Politikverdrossenheit als Erkennen der Sphäre der Abspaltung, als der verdrossene Zwang zur Auseinandersetzung mit Dingen, die nicht unserer Gesellschaftlichkeit - der Verfolgung eigener Zwecke - entsprechen.
Fetischkritik
Es stellt sich natürlich die Frage, warum denn unsere Gesellschaft so ist, wie sie ist, und warum sie so bleibt. Oder anders gefragt: Wenn sich durch die gesamte kritische Darstellung unserer Gesellschaft wie ein roter Faden durchzieht, dass die Gesellschaftlichkeit sich bloß hinterrücks durchsetzt, also nicht als Ergebnis gesellschaftlicher Reflexion und Tätigkeit, sondern bloß als unkontrollierbares und unkontrolliertes Ergebnis der Tätigkeit Einzelner, einer Tätigkeit, die auch nur auf das Verfolgen der Interessen und Unternehmungen Einzelner abzielt, wie kann sich dann noch Gesellschaft durchsetzen, in der alle das Gleiche und Nämliche tun?
Wir können erkennen, dass die Werte, auf die sich alle im Tausch beziehen, nicht nur gleich sind als Grundlage des Tauschs, sie sind auch gleich in ihrer Wirkung, ihrem Zwang auf die Gesellschaft selbst. Werte treten nicht nur als gleiche auf, worauf sich dann der Austausch in der Gesellschaft als gerecht und angemessen bezieht, Werte treten auch als nur ein Wert, der Wert auf, der auch diese besondere Form der Gesellschaftlichkeit erst organisiert zur bürgerlichen, zu unserer Gesellschaft. Gesellschaftlichkeit bezeichnen wir dabei ganz allgemein, die Fähigkeit oder Natur oder konstitutive Eigenschaft der Menschen, als Leute aufzutreten: gesellschaftlich-selbstreflexiv, in einer geordneten Beziehung zu sich selbst und zu ihrer Umgebung, Umwelt, zum vorgefundenen Natürlichen. (Wir werden im Fortgang unserer Untersuchung, aber nicht mehr in diesem Aufsatz, uns mit dieser Begrifflichkeit herumschlagen müssen; möglicherweise erscheint auf dieser homepage, möglicherweise auch in einer der nächsten Exit!-Nummern ein Aufsatz, der eine erste Begriffsverwirrung und -klärung unternehmen wird, wie seinerzeit in Babylon).
Für unsere Gesellschaft jedenfalls können wir sehen, dass sich die Bezugnahme der Menschen aufeinander als Leute und die Bezugnahme zwischen ihnen und der Umwelt oder der Außenwelt als geordnet und planmäßig nicht darstellt; wenigstens eine vermittelnde Instanz ist nötig, um der Gesellschaftlichkeit in unserer Gesellschaft Herr zu werden. Diese vermittelnde Instanz kann sich nur darstellen als Ergebnis gemeinschaftlicher Aktion - sonst wäre sie nicht vermittelnd - und als nicht gewusstes Ergebnis (weder im Vorhinein noch im Nachhinein) - sonst wäre sie nicht Instanz, also übergeordnet. Was also von Menschen vollbracht, aber nicht gewusst wird, zwingt sie zusammen und lässt sie nach einer Erklärung suchen, die umso plausibler wird, als sie sich ja auf das Gemeinsame bezieht. Hier schließt sich der Kreis. Aus der gemeinsam unternommenen Anstrengung, für sich selbst zu sorgen nach Maßgabe eines gemeinsamen Dritten erwächst dieses gemeinsame Dritte, das zunächst nur den Vergleich der Anstrengungen ermöglicht, zur regulierenden Größe, die den gesamten gesellschaftlichen Zusammenhang bestimmt. Dabei tritt sie scheinbar losgelöst von den menschlichen Beziehungen auf und als Bedingung und Grundlage dieser Beziehungen selbst. Sie macht sich unhintergehbar, wie sie es beim Vergleich der Täusche war, so nun bei der Beziehung der Menschen aufeinander. Als Wert ermöglicht sie den Tausch genauso, wie sie die Gesellschaft zum Tausch zwingt unter der Vorgabe, dass nur diese eine Form gesellschaftlichen Bezugs möglich und denkbar sei. Was also als Ungewusstes gesellschaftlicher Tätigkeit in die Welt kam, wird nun als Natürliches, als Weltgegebenes entdeckt und zur Rechtfertigung und apologetischen Erklärung der gesellschaftlichen Bedingungen herangezogen.
Die Werte erscheinen nun als natürliche Eigenschaften der Dinge, was sie zu Waren macht, und als Grundlage menschlich-gesellschaftlichen Handelns, was dieses Handeln zu einem wiederholten und wiederholbaren Kaufen und Verkaufen macht, um die Werte am Leben zu erhalten. Die Werte erscheinen nun als äußerliche Bezugspunkte menschlichen Lebens, als äußerliche Voraussetzungen und Bedingungen, als äußerliche Gesetzmäßigkeiten, die bloß zu entdecken, zu verstehen und richtig anzuwenden sind, ansonsten aber unveränderbar. Für diese von Menschen geschaffenen Produkte und Verhältnisse, die so betrachtet werden, als hätten sie erst - quasi aus Eigenem - das menschliche Zusammenleben hervor gebracht, ist der Begriff Fetisch angebracht. Dass diese Fetischkonstitution von Gesellschaftlichkeit nicht nur unsere Gesellschaft betrifft, im Gegenteil aber unsere Gesellschaft diese Konstitution durch Begriffe wie "Materialismus" oder "Vernunft" verschleiert in Abstoßung von vergangenem Epochen, die ihren Fetisch als nicht von dieser Welt darstellten (was aber nicht stimmt, denn für religiöse Menschen etwa war Gott von dieser Welt oder die Welt von Gott), das wird in einem anderen Aufsatz zu zeigen sein.
Jedenfalls aber steht der Fetisch mit seiner Abspaltung in inniger Verschränkung - das eine ist ohne das andere nicht denkbar, beide kommen gleichzeitig - im selben Vorgang gesellschaftlicher Konstitution - zur Welt. Was im Wert gesellschaftlich nicht aufgeht, muss in der Abspaltung gesellschaftlich aufgehen. Insofern ist die Wertkritik Festischkritik und beide zusammen sind Abspaltungskritik. Daraus ergibt sich natürlich auch, dass in den abgespaltenen Bereichen nichts zu finden ist, was etwa als gegen den Wert gerichtet der Gesellschaftskritik den Weg in andere soziale Zusammenhänge weisen könnte. Weder das Staatliche noch das Weibliche stehen dem Wert entgegen; indem sie den Platz dessen in der Gesellschaft definieren, was im Wert nicht aufgeht, was der sozialen Reproduktion durch den Wert (also durch Arbeit und Tausch) nicht zugänglich ist, indem sie diesen Platz konstituieren, konstituieren sie das Abgespaltene als ebenso gesellschaftlich, als der Gesellschaft zugehörig, als die Gesellschaft selbst konstituierend, die Bewegungen der Gesellschaft bestimmend. So ist die Abspaltung Teil dieser Gesellschaft und wird nicht über den Wert sich erheben, sondern mit ihm weiterleben oder untergehen. Wir postulieren also, dass die Abspaltung mit dem Fetisch im selben Vorgang der Konstitution gleichzeitig und gemeinsam entsteht - kein Fetisch ohne Abspaltung, keine Abspaltung ohne dazugehörigen Fetisch - und beide bestätigen einander, wie Regel und Ausnahme einander bestätigen.
Gesellschaftskritik
Der Ausdruck Schlaraffenland taucht mit dem Beginn der Neuzeit auf. Während einerseits die Schlaraffen als Müßiggänger und darum dumm und närrisch dem Spott der Welt preisgegeben sind, weil sie sich auf arbeitslose Zustände beziehen, so scheint es sich bei den paradiesischen Schilderungen doch nicht nur um Travestien allein zu handeln; darauf deutet auch hin, dass die Seligkeit des Schlaraffenlands durchwegs mit Genussgütern, gutem Essen und Trinken, und mit der Abwesenheit von Anstrengung verbunden ist. Dennoch ist, wer die "schlaraffey" bewohnt, mit den Narren gleichgesetzt, nicht weil sie glauben, es gäbe so etwas, sondern weil sie darin sich aufhalten. Mit dem Beginn der Neuzeit tritt uns also ein sonderbares Utopia entgegen. Die Sorglosigkeit und Mühelosigkeit, die es seinen Innewohnenden beschert, wird als Narretei verlacht, verhöhnt wird, wer sich ein sorgenfreies Leben erträumt. Und doch verweist dieses Schlaraffenland mit seiner Topographie - von einem Reisring sei es umgeben, durch den sich hindurchfressen muss, wer darin Wohnung nehmen will - auf ein Versprechen, das wir aber nicht im Zentrum unserer Gesellschaft angesiedelt wissen wollen. Der Ring, der das Schlaraffenland umgibt und den es zu überwinden gilt, hält uns umfangen; erst jenseits davon ersteht das Reich der Freiheit und der Beginn der Geschichte der Menschheit, wie Marx das genannt hätte.
Heinz Blaha / Gerold Wallner |
19.01.2005 |
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