Die Krise gilt weiterhin als überwunden und der Weltwirtschaft wird ein sattes Wachstum bescheinigt, das in Bälde sogar das Vorkrisenniveau übertreffen soll. Allerdings macht sich auf gar nicht so leisen Sohlen ein Vormarsch der Inflation bemerkbar, der die deflationären Schübe des großen Einbruchs abzulösen scheint. Bei den großen weltkonjunkturellen Hoffnungsträgern Indien und China hat die Inflationsrate in den letzten Monaten die Marke von 5 Prozent überschritten, die Lebensmittelpreise sind sogar um 15 (Indien) bzw. 12 Prozent (China) gestiegen. Die jeweils in mehreren Schritten vorgenommene Erhöhung der Leitzinsen, die nun 5 Prozent oder mehr über den europäischen bzw. US-amerikanischen liegen, hat bisher wenig bewirkt. Ein ähnliches Anziehen der Inflationsrate ist in vielen peripheren Weltregionen zu beobachten. Auch in der Euro-Zone hat die Teuerung im Januar 2,4 Prozent erreicht und ist damit aus dem offiziellen Zielkorridor ausgebrochen. Dieselbe Entwicklung in den USA löst dort freilich nur Achselzucken aus.
Was zumindest in der EU vor nicht allzu langer Zeit als alarmierend gegolten hätte, wird jetzt auch hier eher heruntergeredet. Sowohl EZB-Präsident Trichet als auch Deutsche-Bank-Chef Ackermann haben die weltweiten Preissteigerungen zu einem „normalen“ Phänomen in der Hochkonjunktur erklärt, das sich mit dem Zyklus von selbst wieder zurückbilden werde. Sie erliegen damit einer elementaren Verwechslung. Eine bloß zyklische allgemeine Preiserhöhung, die einem Schub der regulären Nachfrage aufgrund erhöhter Profite und Löhne aus der realen Kapitalverwertung entspringt, ist ein reines Marktphänomen und hat nichts mit dem Wert des Geldes zu tun. Ganz anders verhält es sich, wenn Staatskonsum und Notenbank-Geld die Konjunktur künstlich befeuern. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob die Nachfrage steigt, weil die Konjunktur von sich aus anzieht, oder ob die Konjunktur anzieht, weil eine kapitalistisch irreguläre Nachfrage per staatliches Dekret geschaffen wird. Im letzteren Fall beruht die allgemeine Preiserhöhung auf einer Entwertung des Geldes selber. Das ist die eigentliche Inflation, und mit dieser haben wir es jetzt zu tun.
Tatsächlich haben die Staaten und ihre Notenbanken Kreditgeld in einem historisch beispiellosen Ausmaß kreiert, um die Weltwirtschaftskrise aufzufangen. Allein in den USA wurden binnen zwei Jahren auf verschiedenen Wegen mehr als vier Billionen Dollar in die Ökonomie eingeschleust. Überall speit die Niedrig- oder Nullzinspolitik Geld wie ein Springbrunnen in das Geschäftsbankensystem, das als „Sicherheit“ faule Papiere hinterlegen darf. Darüber hinaus kauft die US-Notenbank Fed seit geraumer Zeit Anleihen des eigenen Staates en masse, weil die Asiaten diese dubios gewordenen Papiere zunehmend verschmähen. Dasselbe Spiel treibt die EZB mit den Staatsanleihen der Defizitländer im Euro-Raum, um die Gemeinschaftswährung zu retten. Entgegen den Ankündigungen ist es nicht gelungen, diese Liquidität durch Refinanzierungsgeschäfte wieder abzusaugen. Solange mit der Geldschwemme bloß Schulden umgeschuldet oder die Börsenkurse hochgetrieben werden, hält sich die Inflation in Grenzen. Aber in dem Maße, wie der Zweck der Übung erreicht wird, nämlich Nachfrage aus dem Nichts zu schaffen, folgt unvermeidlich die beschleunigte Geldentwertung. Es zeugt von Ignoranz, diesen Zusammenhang zu verleugnen und von einem selbsttragenden Boom zu fabulieren. Der inflationäre Sprengsatz wird das Scheinwachstum genauso in Luft auflösen wie der deflationäre zuvor.
erschienen im Neuen Deutschland
am 07.02.2011
am 07.02.2011
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