samedi 29 janvier 2011

DAS ENDE DER WELTMACHT-ÖKONOMIE

In der BRD feiert man das „Sommermärchen“ eines starken Quartals-Wachstums, befeuert vor allem durch Exporterfolge der Autoindustrie (der Inlandsabsatz ist gleichzeitig um 30 Prozent eingebrochen) und des Maschinenbaus. Die Krise gilt als bewältigt, obwohl das frühere Niveau des Bruttoinlandsprodukts noch bei weitem nicht wieder erreicht wurde und ein anhaltender Boom der Weltwirtschaft unwahrscheinlich ist. Der aktuelle Unsicherheitsfaktor sind die USA als größte Volkswirtschaft der Welt. Dort trübt sich die Stimmung ein. Das liegt vor allem an einer Phasenverschiebung der Konjunktur, denn in den USA hatten die staatlichen Programme zuerst eingesetzt und laufen daher auch früher aus. Jetzt zeigt sich, dass dieser vermeintliche „Anschub“ ins Leere zu laufen droht. Führende Ökonomen sprechen von einem bevorstehenden „double dip“, einem womöglich noch tieferen Rückfall in die Rezession.
Das Hauptproblem ist neben der Staatsverschuldung die massive Überschuldung der US-amerikanischen Privathaushalte, deren Konsum 70 Prozent des BIP ausmacht. In den Hochzeiten der Defizitkonjunktur 2007 lag das reale Durchschnittseinkommen unter dem von 1970. Die Konsumkraft kam allein von Kreditkarten und beliehenen Hypotheken, die großenteils nichts mehr wert sind. Die offizielle Arbeitslosigkeit hat sich auf 10 Prozent verdoppelt, real wird sie auf 17 Prozent geschätzt. Allein um diesen prekären status quo zu erhalten, ist ein jährliches Wachstum von 3 Prozent erforderlich; eine dauerhafte Senkung der Erwerbslosenquote wäre nur bei 6 bis 9 Prozent Wachstum erreichbar. Das ist auf lange Sicht ausgeschlossen, denn vor allem die Mittelklasse erodiert in atemberaubendem Tempo. Um wieder kaufkräftig zu werden, müssten die US-Haushalte mehr als 6 Billionen Dollar Schulden tilgen oder ihre Ausgaben für 10 Jahre massiv einschränken. Das würde die Konjunktur umso mehr in den Abgrund reißen. Eine weitere staatliche Subventionierung stellt aber die Kreditwürdigkeit der USA und nicht zuletzt die militärische Weltmacht in Frage. Die Kosten für die Einsätze in Afghanistan, im Irak und anderswo sind seit 2002 um mehrere hundert Prozent gestiegen und können nach dem Platzen der Finanzblasen nicht mehr aus der Portokasse bezahlt werden.
Die grassierende antiamerikanische Häme angesichts dieser Entwicklung lässt die Rolle der Weltmacht-Ökonomie für den globalen Kapitalismus außer acht. Eine längerfristige Abkoppelung der Weltkonjunktur von den USA ist illusorisch. Jene über Jahrzehnte aufgebaute Struktur, die auf dem defizitären Weltmacht-Konsum beruhte, kann nicht innerhalb von Monaten ins Gegenteil verkehrt werden. Weder China noch die EU oder Japan sind in der Lage, den Part der USA zu übernehmen. Das betrifft auch die Funktion des Weltgelds. Nach dem Ende des „Golddollars“ steht nun der „Rüstungsdollar“ zur Disposition. Der chinesische Yuan ist noch nicht einmal eine konvertible Währung und der Euro steckt selbst in einer tiefen Krise. Der Verlust einer anerkannten Welthandels- und Reservewährung würde erst recht auf die globale Konjunktur zurückschlagen. Sobald sich die konjunkturelle Phasenverschiebung ausgleicht und die Staatsprogramme auch in China und in der EU (hier noch verschärft durch die oktroyierten Sparprogramme) ihre Grenzen erreichen, wird sich für diese Zentren eine ähnliche Situation ergeben wie jetzt für die USA. Das tatsächliche Ende der nur noch am seidenen Faden hängenden Weltmacht-Ökonomie könnte dann spätestens in den nächsten Jahren eine zweite Welle der Weltwirtschaftskrise auslösen.
erschienen im Neuen Deutschland
am 20.08.2010

Robert Kurz


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