Ex-Kanzler Helmut Kohl ist dieses Jahr gerade nochmal an der Verleihung des Friedensnobelpreises vorbeigeschrammt, den er nach herrschender Gutmenschen-Lehre für seine Rolle beim Anschluss der ehemaligen DDR an die BRD zweifellos verdient hätte. Nicht einmal der iranische Präsident Ahmadinedschad wurde für seine Bemühungen um die Stabilität des Nahen Ostens in die engere Wahl gezogen. Aus politischen Gründen musste diesmal ein chinesischer Dissident herhalten. Die Aufregung darüber hat eine weitere Delikatesse des Nobelkomitees ein wenig in den Hintergrund treten lassen, nämlich die Vergabe auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft. Diesen politischsten aller Nobelpreise erhält in der Regel, wer eine geistige Leistung für den edlen Zweck erbracht hat, die Menschheit noch mehr an die Kandare des Kapitalismus zu nehmen. 2010 wurden in diesem Sinne die beiden US-Amerikaner Peter Diamond und Dale Mortensen sowie der Brite Christopher Pissarides ausgezeichnet.
Dem ersten Anschein nach bewegen sich die Forschungen der diesjährigen Preisträger auf einem ziemlich neutralen Gebiet. Ihr Thema sind die sogenannten Suchkosten. Es geht dabei um ein eher banales Alltagsphänomen: Käufer und Verkäufer benötigen oft viel Zeit, bis sie die passende Ware oder den passenden Käufer gefunden haben; und Zeit ist bekanntlich Geld in dieser besten aller Welten. Diese Suchkosten werden jedoch in den Modellen der Volkswirtschaftslehre ausgeblendet. Die jetzt geehrten Ökonomen ziehen daraus den Schluss, dass der Automatismus von Angebot und Nachfrage eben doch nicht immer funktioniert und vielleicht staatliche Nachhilfe die Suchkosten senken könnte. Prima Keynesianismus also, wie staatsfixierte Linke ihn lieben. Auch das Komitee in Oslo scheint dem Neoliberalismus den Abschied gegeben zu haben.
Ein wenig deutlicher wird die Sache, wenn man erfährt, dass das famose Problem der Suchkosten vor allem auf den Arbeitsmärkten bedeutend sein soll. Die Wissenschaftler hätten gezeigt, so die Begründung, dass Arbeitslosigkeit nicht nur (!) durch zu hohe Löhne entstehe, sondern auch dann, wenn Arbeitslose nicht zackig genug auf Jobsuche gehen oder „zu hohe Ansprüche“ an eine neue Stelle hätten. Im Klartext: Lohnsenkungen durch das freie Spiel von Angebot und Nachfrage auf den Märkten für die Ware Arbeitskraft allein reichen nicht; es bedarf zusätzlicher staatlicher Zwangsmaßnahmen, damit die Arbeitslosen nicht durch ihre „Anspruchshaltung“ zu hohe Suchkosten verursachen. Und da sie nur glücklich werden können, wenn sie endlich einen miesen Billigjob ihr eigen nennen, ist das natürlich im ureigensten Interesse der Betroffenen. Was „wissenschaftlich“ zu beweisen war.
Es verwundert nicht, wenn das „Handelsblatt“ ausplaudert, die Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger hätten „das intellektuelle Fundament“ gelegt für die „Strategie des Forderns und Förderns“, also auch für Hartz IV. Leider durfte der Praktiker und Namenspatron für die Anwendung dieser Erkenntnisse, Peter Hartz, nicht unter die Geehrten eingereiht werden. Aber zum „Preisträger der Herzen“ kann er vielleicht noch werden, sobald erkannt wird, dass er mit seiner Reform eigentlich dem Neoliberalismus die Kante gegeben hat. Die „unsichtbare Hand“ des Marktes diszipliniert die Lohnabhängigen nicht ausreichend, die „sichtbare Hand“ der Arbeitsverwaltung muss auch noch zuschlagen. Der bekannte US-Keynesianer Paul Krugman hat seine preisgekrönten Kollegen als „unglaublich tiefsinnige Denker“ bezeichnet. Womit endgültig klar wäre, was wir vom Krisenkeynesianismus noch zu erwarten haben.
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