jeudi 18 novembre 2010

NULLKOMMANICHTS



Gestern noch wussten die Experten nicht, wie man historische Krise schreibt, und heute ist sie schon wieder vorbei. So schnell kann es gehen. Die Geschichte ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Jedenfalls gab es laut statistischem Bundesamt in der Bundesrepublik 0,3 Prozent Wachstum. Kleine Frage: bezogen worauf? Auf das Vorquartal. Im Jahresvergleich, auf den es eigentlich ankommt, sieht es ein wenig anders aus. Die Exporte etwa liegen immer noch rund 20 Prozent unter den Werten des letzten Jahres. Und gäbe es 2010 ein einziges Prozent Wachstum, wäre das natürlich vom Absturzniveau aus berechnet. Selbst eine derart bescheidene Steigerung vorausgesetzt, würde es viele Jahre dauern, bis das Niveau der Defizitkonjunktur von 2004 bis 2008 wieder erreicht wäre. So gesehen bedeutet die aktuelle Freudenbotschaft soviel wie „Nullkommanichts“. Dass die Rezession damit für „beendet“ erklärt wird, ist zwar eine reife Leistung des positiven Denkens. Aber in Wirklichkeit ist sie in ihrer zeitversetzten Wirkung auf dem Arbeitsmarkt noch gar nicht angekommen. Auch die Welle der großen Insolvenzen hat erst begonnen. In Kürze wird der Einbruch des Welthandels viele Unternehmen des Gütertransports treffen, von der rollenden Lagerhaltung auf der Straße über die Schienen- und Luftfracht bis zu den Reedern und Häfen angesichts der riesigen Überkapazitäten im Container-Verkehr auf den Weltmeeren. Als nächstes ist dann die einschlägige Investitionsgüter- und Zulieferindustrie dran. Dieselbe Entwicklung zeichnet sich für die Autoindustrie ab, deren künstlicher Ernährung durch die Abwrackprämie der Stoff ausgeht; nicht nur hierzulande, sondern in großen Teilen der EU. Ganz zu schweigen von der Endlagerung der Leichenberge im Keller des Finanzsystems, die bis jetzt nur in Absichtserklärungen besteht. Aber das macht alles nichts. Ein kleiner historischer Stimmungsheber im Sommerloch, noch dazu wenige Wochen vor der Bundestagswahl, eröffnet großartige Aussichten. Fragt sich nur, für wen eigentlich.

Robert Kurz

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